von Julius Schlumberger und Jana Stingl
Die Weltklimakonferenz in Europa — schon wieder? So ungefähr haben auch wir reagiert, als bekannt wurde, dass die chilenische Regierung ihre Gastgeberschaft für die diesjährige Klimakonferenz Ende Oktober kurzfristig absagte. Grund dafür: massive Proteste und Forderungen nach Reformen gegen die zunehmende soziale Ungerechtigkeit und Unsicherheit in dem südamerikanischen Land, Polizeigewalt und Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstrierenden.
Während Lärm, Gewalt und Unruhe in Chile weiter anhalten, finden fernab dieser Realität die nächsten zwei Wochen in klimatisierten Konferenzräumen in Madrid das neueste Tauziehen um ein gerechtes und effektives Klimaschutzabkommen statt. Dort lässt sich etwas leichter über Klimaanpassung, Verluste und Schäden diskutieren, ohne an die destabilisierenden Folgen des Klimawandels und seine Auswirkungen auf die Bevölkerungen und soziale Gerechtigkeit in den verschiedenen Ländern erinnert zu werden.
Unabhängig vom Austragungsort sind die Themen auf der Agenda der Weltklimakonferenz von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Pariser Abkommens. Vor knapp einem Jahr endete die COP24 in Polen mit der Verabschiedung der so genannten “Implementation Guidelines” (auf Deutsch: Umsetzungsregeln). Beschlossen wurden nicht nur gemeinsame Standards für die Berichterstattung zu den nationalen Klimaschutzbeiträgen (auf Englisch: nationally determined contributions, NDCs), sondern auch, eine Überprüfung der Ziele und Umsetzungserfolge durch die Staatengemeinschaft in regelmäßigem Abstand von fünf Jahren. Das verabschiedete Paket umfasst noch eine ganze Reihe mehr an Entscheidungen, die auf der Seite des UNFCCC zu finden sind.
… müssen die Klimaschutzzusagen erhöht werden
Das Thema Ambitionssteigerung wurde vergangenes Jahr (leider) erfolgreich umschifft. Auf der COP25 ist ein weiteres Vertagen auch mit Blick auf die weltweit lang anhaltenden Klimaproteste der Zivilgesellschaft nicht vertretbar. Die Wissenschaft hat bestätigt, dass die derzeitigen Klimaschutzzusagen der Länder nicht ausreichen, um die Klimaerwärmung auf unter 1,5°C oder auch nur 2°C zu beschränken. Es ist also dringend nötig, dass sich die Staatengemeinschaft darauf verständigt, zeitnah verschärfte nationale Klimaschutzbeiträge einzureichen, möglichst bis Mitte des kommenden Jahres.
… muss halt doch über Geld gesprochen werden
Eine große, wenn nicht die größte Frage überhaupt, blieb in Polen unbeantwortet: welche finanziellen Grundlagen und Regelungen müssen getroffen werden, um dem Klimawandel gemeinsam begegnen zu können? Auch auf den Klima-Zwischenverhandlungen im Mai, konnten die großen und komplizierten Streitthemen dazu nicht geklärt werden. So besteht weiterhin Uneinigkeit darüber, wie ein Marktmechanismus aussehen muss, der die Finanzierung von Klimaschutz- und ‑anpassungsmaßnahmen als Ergänzung zu eigenem Klimaschutzversagen ermöglichen. Gemeinhin wird befürchtet, dass durch einen Marktmechanismus ein Anreiz für (Industrie-)staaten gesetzt wird, die eigenen Klimaschutzziele möglichst tief anzusetzen, um dadurch finanzielle Vorteile zu genießen. Mit dem Auslaufen des zweiten Phase des Kyoto-Protokolls (KP) steht außerdem die zentrale Frage im Raum, wie mit Mechanismen des KP umgegangen werden soll. Sollen sie beibehalten und neu eingesetzt werden? Oder schafft man einen Ersatz?
Denn ein Finanzmechanismus, dem sich alle Länder anschließen können, ist in jedem Fall unabdingbar. Andernfalls ist das Pariser Klimaabkommen nur ein zahnloser Papiertiger — harmlos und ohne ausreichendes Instrumentarium, um Länder weltweit zum Klimaschutz zu bewegen. Da sich die Positionen der Länder(gruppen) in diesen Fragen teilweise konträr entgegenstehen, bleibt abzuwarten, ob die Delegierten diese schwere Aufgabe lösen können.
Und wenn wir schon beim Geld sind: Wenn die Länder es tatsächlich ernst mit ihren Klimaschutzambitionen meinen, können wir auf eine ganze Reihe finanzieller Zusagen hoffen. Denn vom erklärten Ziel von 100 Mrd. Dollar zusätzlicher Finanzierung pro Jahr ab 2020, mit denen Industrieländer Entwicklungsländer bei Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen unterstützen wollten, sind die Länder selbst nach optimistischsten Schätzungen noch gut 30 Mrd. Dollar entfernt.
… wird geprüft, was noch (nicht) läuft
Auch das Thema Loss und Damage steht wieder auf der Agenda. Wie in der Vergangenheit scheiden sich die Geister daran, ob überhaupt und wer welche Schäden und Verluste finanzieren soll. Darüber hinaus steht eine Überprüfung des bestehenden Mechanismus an, ob er den Bedarfen der besonders vulnerablen Länder und Inselstaaten nach Unterstützung durch Technologie-Transfer, Dialog und Know-How gerecht wird.
Außerdem soll ein Fortschrittsbericht vorgestellt werden, der untersucht hat wie und ob das Thema Gender sowohl in den institutionellen Entscheidungsprozessen als auch in dem Prozess des Klimaschutzes und der ‑klimaanpassung verstetigt wurde. Denn Frauen sind neben Kindern von den Folgen des Klimawandels besonders stark betroffen, in den Entscheidungsprozessen allerdings noch deutlich unterrepräsentiert. Der Aufgabe, das zu ändern, hat sich die Klimarahmenkonventionen angenommen – wir sind gespannt!
… ist die Klimadelegation auf der COP aktiv
Abseits der Klimaverhandlungen finden wie jedes Jahr sogenannte Side Events in den nationalen Pavillons oder anderen Räumlichkeiten statt, bei denen klimapolitische Inhalte von verschiedenen Akteuren dargestellt und diskutiert werden. Der Samstag (7. Dezember) wurde im Deutschen Pavillon kurzerhand zum Jugendtag deklariert, bei dem verschiedene klimapolitische Themen aus der Perspektive der jungen Generation betrachtet und diskutiert werden sollen. Und Klimadelegation liefert: Gemeinsam mit der Initiative “Sail to the COP” veranstalten wir in Anlehnung an den im letzten Jahr von uns in Kooperation mit BMU und BMZ organisierten Jugendworkshop unser Side Event “Youth for European Climate Action”. Dabei wollen wir junge Menschen aus Deutschland, Europa und Chile mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft zusammenbringen und uns über die Steigerung der nationalen Klimaziele, nachhaltige Mobilität und Jugendpartizipation innerhalb klimapolitischer Prozesse austauschen. Im Anschluss daran freuen wir uns auf die Eindrücke, die unsere Mitstreiter mit ihrer “Life on board”-Fotoausstellung in den Pavillon bringen.
Neben unserer Beteiligung an Side Events will die Klimadelegation auch dieses Mal sich wieder dafür einsetzen, insbesondere mit Blick auf die Situation in Chile, dass das grosse Ziel der Pariser Abkommens nicht aus den Augen verloren wird: Wir brauchen nicht einfach ein Abkommen, sondern wir brauchen auch die Umsetzung dieses Abkommen. Und dafür rennt uns die Zeit (bzw. die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre) davon. Diese Forderung wird uns in alle Gespräche mit deutschen und europäischen Entscheidungsträger*innen begleiten. Wir werden in unseren Protestaktionen und Berichten von der Konferenz dazu Stellung nehmen, und mit der globalen Jugendbewegung vor Ort für Klimagerechtigkeit und Klimaschutz einstehen.
Und was macht die chilenische Präsidentschaft?
Mit Spannung darf erwartet werden, wie sich die chilenische Präsidentschaft angesichts der katastrophalen Situation im eigenen Land auf der COP verhalten wird. Das Verhalten der chilenischen Regierung gegenüber der Zivilgesellschaft wurde international durchaus auch kritisiert. Auch wenn sich die chilenische Präsidentschaft unter Zusammenarbeit mit dem spanischen Gastgeber und dem Klimasekretariat sehr darum bemüht hat, die Hürden und Schwierigkeiten der kurzfristigen Verlagerung zu begrenzen, hat die Verlegung nach Europa einmal mehr dazu geführt, dass Menschen aus dem Globalen Süden, insbesondere auch junge Menschen, sich großen Teilnahmehürden gegenüber sehen.
2018 ist der Ausstoß von Treibhausgasen abermals gestiegen auf nunmehr fast 40 Gigatonnen pro Jahr. Geht es in diesem Tempo weiter, ist unser CO2-Budget von maximal 400 Gigatonnen in weniger als 10 Jahren aufgebraucht und wir rutschen in eine Spirale der Kippelemente ab, die erst bei einer Erderwärmung von 3–5°C wieder aufhört.
Nun bringt es auch nichts, in Panik zu verfallen, aber ich hoffe, dass diese Zahlen, die weltweiten Proteste, die Waldbrände, Überschwemmungen, Stürme und Hitzewellen allein diesen Jahres unsere Vertreter*innen auf der COP den Schweiß auf die Stirn treiben. Wir befinden uns in einer Krise und trotzdem benehmen sich viele Politiker so als wären sie auf einer Vereinssitzung vom Kegelclub.
Wir können die Kurve noch kriegen, aber nur wenn endlich konsequent und auf allen Ebenen die Zivilgesellschaft mit eingebunden wird und die Wissenschaftler*innen gehört werden.
Vielen Dank für diesen Artikel und Ausblick! Ich erwarte, dass sich die Vertreter*innen vor Ort den Umständen entsprechend verhalten – ein kleines bisschen Panik dürfte dabei helfen, Schwung in die Sache zu bringen.
FÜR DEN BLAUEN PLANETEN
Der Mensch, dieses kluge Wesen,
Kann im Gesicht der Erde lesen.
Er sieht die drohende Gefahr,
Spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
Homo sapiens muss aufwachen,
Seine Hausaufgaben machen.
Der Handel mit Emissionen
Wird unser Klima nicht schonen.
Weg vom ewigen Wachstumswahn,
Braucht es einen weltweiten Plan.
Für die Erde, die Menschheit,
Geh’n wir’s an, es ist an der Zeit.
Kämpfen wir für Mutter Erde,
Dass sie nicht zur Wüste werde.
Retten wir uns’ren Regenwald,
Gebieten der Kohle Einhalt.
Das oberste Gebot der Zeit
Muss heißen Nachhaltigkeit.
Weisen wir jetzt entschlossen
Die Klimakiller in die Schranken.
Bremsen wir Trump und Genossen,
Der blaue Planet wird uns danken.
FOR THE BLUE PLANET
The earth is our mother,
We will not have another.
There’s no better place to find
For animals, plants, mankind.
Green woods, beautiful lakes,
Nature has got what it takes.
We have to keep clean the air,
As environment everywhere.
Put an end to coal mining,
Nuclear power and fracking.
Climate concerns all nations,
Just as plastic in the oceans.
For good living day and night
Must change darkness and light.
Our planet, so wonderful blue,
We will always protect, We do!
Rainer Kirmse , Altenburg
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Stefan Rahmstorf (PIK) hat für Deutschland wie folgt CO2 Verbrauch erreichnet: aus seinem Blog: “Nehmen wir an, das „deutlich unter 2 Grad“ Paris-Ziel bedeutet konkret eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,75 Grad. Bei der Berechnung der Erwärmung infolge einer bestimmten Emissionsmenge gibt es natürlich eine Unsicherheitsmarge; daher werden Wahrscheinlichkeiten angegeben, eine bestimmte Temperaturgrenze zu halten. Nehmen wir also an, wir wollen mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit unter den 1,75 Grad bleiben. Dann sagt die Tabelle, dass wir ab Anfang 2018 noch 800 Gigatonnen (das sind Milliarden Tonnen) CO2 in die Luft pusten dürfen. DE Anteil der Gerechtigkeit: Bestenfalls können wir von diesem Restbudget den Anteil beanspruchen, der unserem Anteil an der Weltbevölkerung entspricht. Also 1,1%.Emissionsbudget global: 880 Gigatonnen (die Welt emittiert jährlich 40 Gt).
Davon stehen Deutschland dann 1,1 % zu, das sind 9,7 Gigatonnen. Von Anfang 2016 bis Anfang 2019 haben wir davon schon 2,4 Gigatonnen verbraucht, da Deutschland jährlich 0,8 Gigatonnen emittiert. Bleiben uns also 7,3 Gigatonnen ab Anfang 2019.”
Durch unser globales Konsumverhalten emittiert Deutschland allerdings mehr CO2 — ca. jährlich 2 Gigatonnen. So gesehen stehen wir bereits deutlich im Minus-Bereich. Dadurch tragen wir global eine enorme Verantwortung zum ambitionierten Handeln mit sofortiger Wirkung!!!