In der Nacht von Freitag auf Samstag fand die Klimakonferenz in Marrakesch (COP22) ihr Ende. Bei den Vorverhandlungen im Mai sprach man davon, dass die COP22 eine Umsetzungskonferenz werde. Nach dem groß gefeierten politischen Moment in Paris klang das wohl offenbar zu ernüchternd. Daher wählte man Aktionskonferenz als Beinamen für den zweiwöchigen Klimagipfel in Marokko. Rückblickend wäre es wohl besser gewesen bei dem ersten Namen zu bleiben. Die von der spektakulär frühen Ratifikation des Paris Abkommens genährten Hoffnungen auf weitreichende Beschlüsse wurden enttäuscht und ein Fortleben des Paris Moments blieb aus. Freiwillige Vorstöße einzelner Länder und auch die Reaktionen auf die US-Wahl stimmten hingegen zuversichtlich.
Verhandlungen
Die Verhandlungen sollten das Regelbuch für das Paris Abkommen ausarbeiten und auf die nächste große Konferenz 2018 in Polen vorbereiten. Im Vorhinein geäußerte Erwartungen auf politische Durchbrüche, beispielsweise im Bereich der Finanzierung der im Paris Abkommen ausgehandelten 100 Milliarden schweren Roadmap, blieben aus. Stattdessen waren die Verhandlungen trotz der Anwesenheit vieler Staatsoberhäupter und Minister*innen prozeduraler Natur. So ist der Dialog zu den Länderzielen vor 2020 sehr schwach ausgefallen. Ambitionssteigerungen wurden kaum thematisiert. Stattdessen wurde überwiegend über den Kapazitätsaufbau in Entwicklungsstaaten verhandelt und einige Länderinitiativen vorgestellt. Dieser kritikwürdige Ausgang war auch ein Grund dafür, dass sich das finale Plenum am letzten Tag noch bis in die frühen Morgenstunden zog. Bolivien stellte mehrfach mit Rückendeckung von China fest, dass die Industriestaaten noch vor 2020 deutliche Ambitionssteigerungen zeigen müssen. Die Wissenschaft unterstützt diese Aussage, nach der die nächsten vier Jahre entscheiden werden, ob das 1,5 Grad Ziel überhaupt noch zu erreichen ist. Auch einige Beobachter reagierten enttäuscht auf den Ausgang des 2016 Dialogs, welcher Ambitionen erhöhen sollte. Man hatte sich wichtige Signale für den kommenden Dialog 2018 erhofft, der als wichtiger politischer Moment gehandelt wird. Dort sollen die Länder gegenseitig ihre Ziele für die Zeit nach 2020 überprüfen und gegebenenfalls steigern. Das Paris Abkommen verdankt seine positive Aufnahme unter anderem diesen Dialogen und Ambitionsmechanismen, sodass es in Zukunft einer deutlichen Verbesserung bedarf.
Die für Entwicklungsländer besonders wichtigen Themen von Anpassung sowie Verlusten und Schäden des Klimawandels wurden ebenfalls verhandelt. Hinsichtlich der Zukunft des unter dem Kyoto Protokoll geschaffenen Anpassungsfonds gab es langwierige Diskussionen und Uneinigkeit zwischen Industrie- und Entwicklungsstaaten. Dieser Fond ist besonders wichtig für kleinere Anpassungsprojekte, da er einen unkomplizierten und direkten Zugang ermöglicht. Letztlich konnten sich die Staaten darauf einigen, den Anpassungsfond auch unter dem Paris Abkommen weiterzuführen. Bei den Verhandlungen um Verluste und Schäden des Klimawandels waren die Erwartungen hoch. Leider konnten sich die Länder nur auf den Entwurf für einen weiterführenden Arbeitsplan einigen und die Überprüfung der bisherigen Arbeit wurde vertagt. Allerdings lassen die Beschlüsse vage Hoffnung auf die dringend notwendige Thematisierung von finanziellen Ressourcen für den Umgang mit Schäden durch plötzliche Klimakatastrophen und durch schleichenden Veränderungen, wie beispielsweise der Meeresspiegelanstieg oder die Desertifikation.
US-Wahl
Gleich zu Beginn der Verhandlungen dominierte der Ausgang der US-Wahl die Gespräche auf dem Konferenzgelände. Trump hat im Vorhinein der Wahl mehrfach deutlich gemacht, dass er den Klimawandel für eine Erfindung der Chinesen hält und alle internationalen Klimaverpflichtungen unter seiner Präsidentschaft aufkündigen wird. Dass die Wahl Trumps weder in Panik noch in einer Abwärts- oder Austrittspirale führte, ist besonders positiv hervorzuheben. So war in den tatsächlichen Verhandlungen der Wahlausgang kein Thema und auf der politischen Bühne beteuerten vor allem die großen Emittenten wie China und Indien ihren weiteren Einsatz für den internationalen Klimaschutz. Auch die von allen Ländern verabschiedete Marrakech Action Proclamation ist in diesem Kontext zu sehen. Diese unverbindliche Absichtserklärung ist insbesondere als deutliches Signal an Trump gewertet worden.
Länderinitiativen
Auf der positiven Seite der COP-Bilanz lässt sich die Ankündigung des Climate Vulnarable Forum verbuchen. Diese Gruppe aus 47 Ländern, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, gab bekannt, dass sie so schnell wie möglich zu 100% auf Erneuerbare Energien umsteigen wollen. Außerdem kündigten sie an ihre bisherigen Verpflichtungen steigern und das Bewusstsein für den Klimawandel in der Bevölkerung stärken zu wollen. In der Gruppe der reicheren Staaten legten die USA, Kanada, Mexiko und Deutschland Langzeitstrategien vor in denen sie Klima- und insbesondere Minderungsziele fest legten. Die deutsche Langzeitstrategie, der Klimaschutzplan 2050, wurde national zu Recht wegen seiner Unverbindlichkeit und dem fehlenden Kohleausstieg kritisiert; international aber als positives Signal für die schnelle und ambitionierte Umsetzung des Paris Abkommens gewertet. Auch die im Vorhinein geforderten 80 Millionen Dollar für den Anpassungsfond wurden mit der Unterstützung von Schweden, Italien, Belgien und Deutschland bereitgestellt. Dieser Fond ist besonders bekannt für seine effektive Finanzierung von Projekten in Entwicklungsländern zur Anpassung an den Klimawandel. Des Weiteren stellten Großbritannien, USA und Deutschland 50 Millionen Dollar für die Erfassung und Berechnung von Treibhausgasemissionen in Entwicklungsländern zur Verfügung.
Umsetzungskonferenz
Die Enttäuschungen über die schleppenden technischen Verhandlungen und das Ausbleiben weitreichender Beschlüsse, wurde durch die positiven Beiträgen einzelner Länder und die Reaktionen aus die US-Wahl durchbrochen. Ende kommenden Jahres haben die Länder dann in Deutschland unter der Präsidentschaft von Fidji die Chance zu zeigen, wie eine tatsächliche Aktionskonferenz aussehen könnte, nicht zuletzt um die Aufgaben des 2018-Moments nicht zu groß werden zu lassen.
Lennart Lagmöller