Klimadelegation und Fridays for Future Datteln im Gespräch
Im Juni waren wir auf Exkursion in Datteln. Dort ist dieses Jahr ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gegangen – während die Regierung den deutschen Kohleausstieg verhandelt. Vor Ort haben wir mit Lena (24) und Dario (22) von Fridays for Future Datteln gesprochen, die den Protest gegen das Kraftwerk mitorganisieren. Die wichtigsten Infos über das neue Steinkohlekraftwerk und den Widerstand haben wir hier für euch zusammengestellt:
Was ist DattelnIV und warum ist es wichtig, darüber Bescheid zu wissen?
DattelnIV ist ein Steinkohlekraftwerk des Konzerns Uniper in der Stadt Datteln in NRW. Es wurde vor allem bekannt, weil es dieses Jahr in Betrieb genommen wurde, obwohl die deutsche Bundesregierung den Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossen hat. Auch die Kohlekommission, die von der Regierung beauftragt wurde, einen Plan zum deutschen Kohleausstieg auszuarbeiten, sprach sich gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks aus. Das Kraftwerk geht nun doch ans Netz, viele Menschen und Verbänden reagierten darauf mit großer Empörung.

Warum geht trotz des Kohleausstiegs noch ein neues Kraftwerk ans Netz?
Laut Plan der Betreiber sollte DattelnIV schon längst in Betrieb sein. Doch bereits 2006 wurde kritisiert, dass die Baupläne nicht den rechtlichen Vorgaben entsprächen. Bürger*innen und Umweltschutzorganisationen gingen vor Gericht. In dem langen Verfahren wurde zeitweise ein gerichtlicher Baustopp verhängt. Doch einige Gesetzesänderungen durch die Landesregierung legitimierten letztendlich juristisch den Bau und die Inbetriebnahme des Kraftwerkblocks.
Das DattelnIV nun trotz geplantem Kohleausstieg 2020 ans Netz geht, liegt unter anderem an abgeschlossenen Lieferverträgen. Diese regeln, wer den produzierten Strom kauft. Die Deutsche Bahn soll ca. 40% der Leistung von DattelnIV beziehen. Ginge das Kraftwerk nicht ans Netz, könnten hohe Entschädigungszahlungen gefordert werden. Also alles eine Frage des Geldes?
Ist ein neues Kraftwerk nicht effizienter und dadurch klimaschonender?
Befürworter*innen von DattelnIV betonen immer wieder, dass das neue Kraftwerk modern und dadurch klimaschonend wäre. So einfach ist es jedoch nicht. Das neue Kraftwerk ist zwar effizienter als ältere, das heißt es kann mehr Strom (und Wärme) aus einer bestimmten Menge Kohle gewinnen. Durch eine höhere Auslastung wird es aber trotzdem mehr Emissionen verursachen. Nach Schätzungen werden ältere Kraftwerke nur zu ungefähr 35% ausgelastet, DattelnIV soll mit einer Auslastung von 60–70% laufen und somit letztendlich mehr Emissionen ausstoßen als andere Kraftwerke. „Das Kraftwerk ist einfach eine Dreckschleuder“, bringt es Lena von Fridays for Future auf den Punkt.
Aber die Klimabilanz von DattelnIV ist nicht nur eine Frage der Emissionen. Durch die Inbetriebnahme des Kohlekraftwerks werden klimaschonendere Gaskraftwerke vom Markt verdrängt. Diese können sich wirtschaftlich nicht gegen die Kohleverstromung durchsetzen, obwohl sie eine bessere CO2-Bilanz haben. Somit ist das neue Kohlekraftwerk moderner und effizienter, klimaschonend ist es aber noch lange nicht!
Was hat DattelnIV mit globaler Klimagerechtigkeit zu tun?
Die Emissionen des Kraftwerkes verschärfen den Klimawandel weltweit und gefährden die Lebensgrundlage vieler Menschen. Bei DattelnIV sind allerdings nicht nur die Emissionen das Problem, sondern auch wo und wie die Kohle für das Kraftwerk abgebaut wird. Seit 2018 wird in Deutschland keine Steinkohle mehr gefördert, deswegen muss die Kohle für DattelnIV importiert werden, z.B. aus Russland und Kolumbien. Dort leiden viele Menschen (und Ökosysteme) massiv unter den Abbaubedingungen der Kohle und können sich oftmals nicht dagegen engagieren, ohne sich selbst zu gefährden. ‚Blutkohle‘ nennen Aktivist*innen deswegen diese importierte Kohle. Lena von Fridays for Future erklärt das so: „Die Probleme mit dem Import sind unter anderem die Gefährdung der Menschenrechte, Menschen die wegen der Umweltzerstörung ihr zu Hause bzw. ihre Lebensgrundlage verlieren, weil Flüsse und Böden vergiftet und Wälder abgetragen werden. Das müssen wir verhindern!“
Wie sieht der Protest aus?
Der Widerstand gegen das Kraftwerks ist vielfältig und reicht von Gerichtsverfahren gegen den Bau bis hin zu Kanu-Aktionen, die die Anlieferung der Kohle blockieren. Seit den ersten gerichtlichen Klagen von Bürger*innen und Umweltschutzorganisationen im Jahr 2006, engagieren sich immer mehr Menschen in der Protestbewegung. Nun ist auch Fridays for Future dabei. Wie die neuesten Protestaktionen aussahen schildert uns Lena:
„Der letzte Protest fand gemeinsam mit der Gruppe „Datteln 4 stoppen wir“ und weiteren, lokalen Gruppen statt. Wir haben eine Fahrraddemo auf die Beine gestellt. Es waren 350 Leute dabei. Wir sind um das Kraftwerk gefahren, haben viele Redebeiträge gehört; es war eine sehr schöne Sache! Für die kommenden Monate sind Aktionen geplant, wie zum Beispiele Picknicks und Kanufahrten. Am 05. September kommen uns die Students for Future Köln besuchen, dazu sind alle Interessierte herzlich eingeladen.“
Dabei engagieren sich nicht nur lokale Gruppen im Widerstand gegen das Kraftwerk. Für die deutsche Klimagerechtigkeitsbewegung ist DattelnIV schon jetzt ein Symbol für einen viel zu langsamen Kohleausstieg und verfehlten Klimaschutz geworden. Aber auch über Landesgrenzen hinweg sprechen sich viele Aktivist*innen gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks aus. So zum Beispiel in den Abbaugebieten der Steinkohle. Lena und Dario von Fridays for Future erzählen uns, wie auch der europaweite Protest immer stärker wird. Aktivist*innen aus verschiedenen Ländern wie Polen, Estland, Italien, England und Lettland vernetzen sich. „Da sind alle möglichen Länder schon dabei, die sagen: Ja, DattelnIV, das ist jetzt auch unser Thema!“, freut sich Lena auf zukünftige, länderübergreifende Aktionen.

Was ist die Rolle von jungen Menschen in der Protestbewegung?
Bei Fridays for Future engagiert sich die Jugend gegen Kohleverstromung, so auch Dario: „Für mich ist FFF die Bewegung, die den Menschen zeigt: Wir müssen im Klimaschutz aktiv werden. Meine Hauptmotivation ist, dass man gesehen hat, dass das 1.5 Grad Ziel nicht erreicht wird. Ich finde es ist ein Unding, wenn man sich überlegt, dass sich die Erde sonst um sechs Grad erwärmen soll. Da bedeutet zum Beispiel, dass viele Tiere sterben werden – es ist einfach unlogisch, sich nicht zu engagieren!“
Dabei übernehmen junge Menschen viel Verantwortung, wie etwa Lena, die vor ein paar Monaten das erste Mal eine eigene Demo angemeldet hat. Oder sie stellen sich Aufgaben, wie etwa Politiker*innen mit ihrem fehlenden Engagement für mehr Klimaschutz zu konfrontieren. Lena schildert uns solche Treffen und sagt, sie sei immer wieder beeindruckt von der Kompetenz und dem Verantwortungsbewusstsein, das die jungen Menschen an den Tag legen.
Wie kann man an dem Protest gegen DattelnIV teilnehmen?
Es gibt regelmäßig Demos und andere Aktionen vor Ort in Datteln, aber auch in anderen Städten und über die Landesgrenzen hinaus. Aktuell entstehen viele kreative und dezentrale Aktionen, um während der Pandemie sicher protestieren zu können. Die Gruppe Ende Gelände ruft beispielsweise am 14. August zum Europäischen Aktionstag gegen DattelnIV auf. Und wer bei der Organisation von Aktionen vor Ort unterstützen möchte, kann sich z.B. an Fridays for Future Datteln über ihre verschiedenen Social-Media Kanäle wenden.
Wir von der Klimadelegation bedanken uns herzlich bei Lena und Dario für das Gespräch in Datteln. Die beiden haben uns gezeigt, wie sich junge Menschen mit viel Motivation, Kreativität und Spaß in die Klimagerechtigkeitsbewegung einbringen. Mit Blick auf die Zukunft überlassen wir Lena das Schlusswort: „Der Protest wird weitergehen!“
Quellen zum Nachlesen:
- https://www.quarks.de/technik/energie/datteln-4-darum-ist-das-kraftwerk-so-umstritten/
- https://www.bund-nrw.de/themen/klima-energie/hintergruende-und-publikationen/steinkohlenkraftwerke/uniper-kohlekraftwerk-datteln-iv/chronologie-steinkohlenkraftwerk-datteln-iv/
- https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/russische-kohle-fuer-datteln-iv-100.html
- https://taz.de/Proteste-gegen-Kohlekraftwerk/!5656199/
- https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/nationale-klimapolitik/fragen-und-antworten-zum-kohleausstieg-in-deutschland/