Die Wälder dieser Welt sind die grüne Lunge unseres Planeten. Unseren lebensnotwendigen Sauerstoff verdanken wir den Pflanzen, die dagegen für die Aufrechterhaltung ihres Organismus Kohlenstoffdioxid aufnehmen. Als Teil des globalen CO2-Kreislaufes nehmen sie damit auch automatisch eine wichtige Rolle in der Klimawandeldiskussion ein: einerseits tragen unsere Waldrodungen zu 20 % zur Treibhausgasemission bei, anderseits können Wälder das CO2, dass sie aus der Atmosphäre entziehen, lange speichern und somit als Treibhausgassenken dienen.
Ganz klar, diese zwei wichtigen Funktionen dürfen im Klimaschutz also nicht außen vor gelassen werden, weshalb 2007 auf der Klimakonferenz in Bali der „REDD-Mechanismus“ für die äquatorialen Wälder konzipiert wurde, der später einmal in das Klimaabkommen eingearbeitet werden soll.
REDD bedeutet „Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degredation“, aber schon bald wurde erkannt, dass man sich nicht nur auf die verschwindenden Wälder beziehen darf, weshalb mit einem angehängten „+“ auch noch Waldaufforstung und nachhaltige Waldbewirtschaftung aufgenommen wurde.
Und um es einmal lapidar auszudrücken: damit platzt das Programm auch schon aus allen Nähten.
Ein Wald ist ein unglaublich diverses Ökosystem und nicht einfach ein CO2-Speicher, wenn er wächst und ein CO2-Emittent, wenn er gefällt wird. Er ist Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen und stellt Wasser, Nahrung und Holz zu Verfügung, ist für uns ein Ort der Erholung, für indigene Völker sogar ein Teil ihrer Kultur und Religion. Und ganz ehrlich, auf einer moralischen Ebene sollte man sich zudem bewusst machen, dass Natur auch einen intrinsischen Wert besitzt, also eine pure Daseinsberechtigung, die über ihren messbaren Nutzen für den Menschen hinausgeht. Zu diesen ganzen Funktionen kommt hinzu, dass Wald in verschiedenen Gebieten der Erde ganz unterschiedlich gestaltet ist (Baumhöhe und ‑dichte, Schichtung und Diversität), verschiedenen administrativen Ordnungen unterstellt und sehr unterschiedlich genutzt wird.
Der Plan ist es, mit dem REDD+-Mechanismus Wäldern einen finanziellen Wert zuzuschreiben, sodass Abholzen quasi dem Verbrennen von Geld gleichkommt. Industrielle Länder können dann für ihren nationalen Klimaschutz Waldschutz oder ‑aufforstungsprogramme in äquatorialen Ländern finanzieren.
Allerdings werden diese Maßnahmen sehr kritisch gesehen:
zum einen, ist fraglich ob sie wirklich eine Wirkung haben, die Treibhausgasemission messbar zu verringern
und zum anderen, ob diese Maßnahmen auch die Biodiversität der natürlichen Wälder und den Lebensraum der einheimischen Bevölkerung schützen.
Ein wichtiges Kriterium, um REDD+ wirklich zu legitimieren ist, dass es nicht als Offsetting genutzt wird, das heißt, dass die entwickelten Länder nicht Waldschutz betreiben dürfen, um ihre aktuellen Emissionen zu kompensieren, sondern dass sie zusätzlich zu ihren Ausstoßminderungen auch noch die Waldrodung bekämpfen sollen, um die dort entstehende Treibhausgasemission zu bremsen. Viele Kritiker warnen jedoch davor, dass es ein großes Risiko gibt, dass REDD+ ausschließlich als Offsetting genutzt wird. Wir retten das Klima nämlich nicht, wenn wir jedes Mal einen Baum pflanzen, nachdem wir mit dem Flugzeug in den Urlaub geflogen sind.
Die Messung des Mechanismus ist allerdings einer seiner größten Schwachpunkte. Gemessen und gehandelt wird nämlich nicht mit dem Wald bzw. den Bäumen an sich, sondern mit ihrem Kohlenstoffgehalt. Man kann sich vorstellen, was für ein unglaublicher Aufwand es ist (und weiterhin sein wird), dies für alle unterschiedlichen Waldtypen festzustellen.
Um eine Verringerung der Waldrodung feststellen zu können, braucht man außerdem eine Vergleichsbasis, an der man dies festmachen kann. Also muss zuerst ermittelt werden, wie viel Wald in einer Region „normalerweise“ gerodet wird und ob bestimmte Projekte und politische Regelungen tatsächlich eine Minderung erbracht haben — was wiederum eine große wissenschaftliche Herausforderung ist.
Neben diesen technischen Grundlagen, an denen hart gearbeitet wird, stellt sich die Frage nach den Schritten der Umsetzung. An vorderster Stelle natürlich erst Mal die nach dem lieben Geld, denn zuerst muss die Planung des Mechanismus bezahlt werden, anschließend benötigen die äquatorialen Länder bereits Unterstützung, um „REDD+-ready“ zu werden, also ihren Waldschutz durch Programme und Gesetze vorzubereiten und anschließend muss genügend Geld sicher zugesagt werden, damit die Länder bei der Umsetzung von REDD+-Projekten auch sicher davon ausgehen können, dass sie bei erfolgreicher Realisierung anschließend für ihren Aufwand wirklich entschädigt werden.
An dieser Stelle passiert im Moment zum Glück recht viel. Es ist mittlerweile einiges an Geld zugesagt und auch Deutschland beteiligt sich stark an der Finanzierung.
Der Einfluss der Industrieländer durch REDD+ auf die Entwicklungsländer mit äquatorialem Wald wird allerdings auch sehr zwiespältig gesehen.
Befürworter argumentieren, dass man mit dem Waldschutz drei Fliegen mit einer Klappe schlägt: Wald wird als Ökosystem und Lebensraum geschützt, die Emission aus der Waldrodung werden vermindert und durch die finanzielle Unterstützung wird gleichzeitig ein Beitrag zu der Entwicklungshilfe in den armen Regionen geleistet.
Gegner sehen jedoch zu viele Fehler und befürchten teilweise katastrophale Auswirkungen bei der Umsetzung: Finanzielle Unterstützung kommt aufgrund von Korruption immer wieder gar nicht an den notwendigen Stellen an. Es werden auf dem gerodetem Naturwaldland Baumplantagen gepflanzt und in den Mechanismus eingerechnet, obwohl sie dem wahren Waldschutz absolut nicht entsprechen. Außerdem gibt es auch Vorkommnisse von Menschenrechtsverletzungen, wenn indigener und ländlicher Bevölkerung der Zugang zu dem Wald untersagt wird, sie teilweise sogar vertrieben wird, obwohl sie von der Nutzung des Waldes mit all seinen Produkten abhängig ist. Ihr traditioneller Zugang zum Wald wird den Betroffenen verboten, obwohl sie dieses Land schon immer bewohnen.
Natürlich muss bei solchen Vorkommnissen die Kritik laut werden, dass wir nicht nur unseren Wohlstand, sondern nun auch unseren Klimaschutz auf dem Rücken von ärmeren Menschen austragen und dabei Moral und Ethik für unseren Selbstzweck ignorieren.
Auch der Fakt, dass wir die Natur in unser marktwirtschaftliches System pressen, ist für viele Kritiker absolut nicht hinnehmbar.
Um bestimmten Problematiken in dem Mechanismus zu begegnen, wurden die „Safeguards“ entwickelt. Dies sind konkrete Kriterien, die mit eingehalten werden müssen, zum Beispiel der Schutz von natürlichen Waldstrukturen und die Achtung der einheimischen Bevölkerung. So sollen die „Nebenwirkungen“ der REDD+-Projekte erkannt und eingeschränkt werden.
Im besten Fall könnte REDD+ ein Baustein bei der Umsetzung der Millenniumsziele sein: Bekämpfung von Armut, Klimawandel und Biodiversitätsverlust.
Um Probleme durch zu schnelles Handeln zu vermeiden, wäre es eine Idee, erst das neue Klima-Abkommen 2020 in Kraft treten zu lassen und danach REDD+ mit einzubringen. So könnte das Konzept bis dahin verbessert werden und wäre wirklich ein Zusatz zu den sowieso nötigen Emissionsreduktionen. Allerdings würde bis dahin auch viel Zeit verloren gehen, in der der Waldschutz schon dringend notwendig ist.
Es gibt also gute Ideen und Ansatzpunkte, aber auch die Gefahr fataler Fehlentwicklungen und Schwierigkeiten.
Ich denke, man sollte versuchen, REDD+ so gut wie möglich zu konzipieren, aber eventuell auch einsehen, dass der Mechanismus nicht funktioniert, wenn die Probleme nicht gelöst werden könne, und ihn dann aufgeben oder neu konzipieren.
Dorothea, 25.11.2013