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#EP2019: Wie die EU-Wahl unser Klima beeinflussen wird

von Julius Schlum­berg­er und Fer­nan­da Ballesteros

Die näch­ste Leg­is­laturpe­ri­ode der Europäis­chen Union wird von wichti­gen kli­ma- und umwelt­poli­tis­chen Entschei­dun­gen gesäumt sein. So wer­den unter anderem die Europäis­chen Kli­maschutzziele (NDC) bis 2030 beschlossen sowie über die Aus­rich­tung der Gemein­samen Agrar­poli­tik (GAP) ver­han­delt, ergo um die Frage, welche For­men der Land­wirtschaft wir für zukun­fts­fähig hal­ten, wie wir unsere ländlichen Räume entwick­eln und wie wir sie fördern wollen. Daneben soll die Entwick­lung der Bio­di­ver­sitätsstrate­gie für 2030 und der EU-Strate­gien für emis­sion­sarme Mobil­ität und alter­na­tive Kraft­stoffe die Grund­lage für ein gemein­sam nach­haltiges Europa schaf­fen. Eben­so wird über die finanzielle Ausstat­tung und Aus­rich­tung des LIFE-Pro­gramms entsch­ieden, eines der wichtig­sten Finanzierungsin­stru­mente der EU von Umwelt‑, Natur- und Klimaschutzprojekten.

Fis­chereimüll am Wat­ten­meer der Nordsee

Daneben wird das EU-Par­la­ment in der neuen Leg­is­laturpe­ri­ode auch mit darüber entschei­den, wie ambi­tion­iert die Mit­glied­staat­en für eine saubere Zukun­ft von Nord- und Ost­see arbeit­en und welche Maß­nah­men pri­or­isiert wer­den. Außer­dem wird es Ver­hand­lun­gen geben, die darüber entschei­den, ob Über­fis­chung und Flot­tenüberka­paz­itäten fort­ge­set­zt wer­den und ob die EU mit ihrer Plas­tik­strate­gie entsch­ieden genug mit dem EU-weit­en Umgang mit Plas­tik und damit auch gegen die Ver­mül­lung der Meere vorge­ht. Zudem wird das Par­la­ment auch drin­gend Strate­gien für die Förderung der Kreis­laufwirtschaft vor­legen müssen. All dies sind sehr wichtige poli­tis­che Entschei­dun­gen für den Umwelt- und Naturschutz in Europa und in Deutschland.

Diese Dringlichkeit scheint auch bere­its in ein­er bre­it­eren Wäh­ler­schaft Anklang gefun­den zu haben. Laut ein­er jüngst veröf­fentlicht­en Mei­n­ung­sum­frage sehen bis zu 77 Prozent der poten­tiellen Wähler*innen die glob­ale Erder­wär­mung als ein wichtiges Kri­teri­um, um zu entschei­den, für wen sie bei den Europawahlen im Mai stim­men wollen.

Deutliches Gefälle im Abstimmungsverhalten

Doch die Analy­sen offen­baren, ein deut­lich­es Kli­maschutz-Gefälle inner­halb des EU-Par­la­ments. Das geht aus ein­er am Mittwoch, 17. April 2019, veröf­fentlicht­en Analyse des Cli­mate Action Net­works (CAN) Europe zum Abstim­mungsver­hal­ten von Europaab­ge­ord­neten her­vor. Nicht zulet­zt gefährdet der zunehmend wahrnehm­bare Recht­sruck in Europa die Kli­maziele. Der Think Tank adel­phi unter­sucht in ein­er aktuellen Studie, wie sich recht­spop­ulis­tis­che Parteien in Europa zum Prob­lem­feld Kli­mawan­del verhalten.

Die Bilanz dieser Studie ist ernüchternd. Etwa zwei von drei recht­spop­ulis­tis­chen Abge­ord­neten stim­men regelmäßig gegen kli­ma- und energiepoli­tis­che Maß­nah­men. Sieben von 21 recht­spop­ulis­tis­chen Parteien leug­nen den Kli­mawan­del, seine men­schengemacht­en Ursachen oder neg­a­tiv­en Folgen.

In dieses Muster rei­ht sich auch das AFD EU-Wahl­pro­gramm 2019 ein, das die Schuld des Men­schen am Kli­mawan­del bezweifelt und sich aus­drück­lich gegen die aktuelle europäis­che Kli­ma- und Energiepoli­tik ausspricht. In dem Pro­gramm spricht sich die AFD gegen die Gren­zw­erte zur Luftrein­hal­tung sowie die daraus resul­tieren­den Fahrver­bote aus. Man möchte zudem Kohle, Gas und Kernkraft als ver­lässliche und gün­stige Energieliefer­an­ten fördern. Laut der AFD ist die Kernkraft die sich­er­ste Energiequelle.

Ein Weit­er­laufen der Kohlekraft – dafür set­zt sich u.a. die AfD ein

Was versprechen die Parteien?

Bünd­nis 90/die Grü­nen zeigt in der ver­gan­gen Leg­is­laturpe­ri­ode bere­its ein sehr gutes Abstim­mungsver­hal­ten. Aus ein­er Analyse des Deutschen Naturschutzrings (DNR) sowie dem Cli­mate Action Net­work (CAN) geht her­vor, dass die Abge­ord­neten in 88% der gew­erteten Fälle, kon­se­quent für Kli­maschutz­maß­nah­men stimmten. Dieser Habi­tus set­zt sich in dem etwa 200 Seit­en lan­gen EU-Wahl­pro­gramm der Grü­nen fort, das klare Kli­maziele for­muliert. Bis 2030 sollen etwa 45 Prozent Erneuer­bare Energien bei Strom, Wärme und Mobil­ität genutzt wer­den. Die CO2-Emis­sio­nen sollen um min­destens 55% gegenüber 1990 gesenkt wer­den. Zudem soll die Energieef­fizienz um 40% gesteigert wer­den und ein voll­ständi­ger Kohleausstieg vol­l­zo­gen wer­den. Bis 2050 sollen 100 Prozent Erneuer­bare Energien in allen Sek­toren genutzt wer­den. Zeit­nah möchte man außer­dem ein europäis­ches CO2-Min­dest­preis­sys­tems für die Sek­toren ein­führen, die bis­lang nicht vom EU-Emis­sion­shan­delssys­tem erfasst sind. Unklar jedoch bleibt auch das Pro­gramm der Grü­nen in punc­to Emis­sions­be­gren­zun­gen. Die Grü­nen fordern statt einem voll­ständi­gen Atom­ausstieg, lediglich die Begren­zung der Laufzeit von Atom­kraftwerken auf ins­ge­samt 40 Jahre. 

Erneuer­bare Energien ver­helfen zu weniger Emissionen

Noch ambi­tion­iert­er und kon­se­quenter als die Grü­nen in punc­to Kli­maschutz zeigt sich die Linke, obgle­ich Kli­maschutz Sozialpoli­tik noch nachgestellt sein mag. In ihrem jüngst vorgelegten Fünf-Punk­te-Plan zum Kli­maschutz fordert die Linke einen europaweit­en Kohleausstieg und kosten­losen Nahverkehr. Anders als in dem Entwurf der Kohlekom­mis­sion vorge­se­hen, soll der Ausstieg bere­its bis 2030 mit­tels Investi­tion­shil­fen und ein­er entsprechen­den sozialen Abfederung abgeschlossen wer­den. 2040 soll der europäis­che Energie­ver­brauch kom­plett aus Erneuer­baren gedeckt wer­den.  Die Linke möchte die Energiev­er­sorgung in öffentliche und genossen­schaftliche Hand brin­gen. Auch Atom­strom und Frack­ing lehnt die Linke entsch­ieden ab. Die Besei­t­i­gung von Umweltschä­den soll von denen bezahlt wer­den, die sie verur­sachen, also den Unternehmen. Parteivor­sitzende Kat­ja Kip­ping betonte, dass “multi­na­tionale Konz­erne die Hauptverur­sach­er der Kli­makrise” seien. Zudem sollen EU-Sub­ven­tio­nen zukün­ftig sowohl an soziale als auch ökol­o­gis­che Kri­te­rien gekop­pelt sein.

Auch das Parteipro­gramm der SPD lässt klare Pri­or­itäten erken­nen: Soziale Gerechtigkeit und faire Besteuerung. Wie aber ste­ht es um den Umwelt- und Kli­maschutz? Das europäis­che Kli­maschutzziel zur Reduk­tion von Treib­haus­gasen soll von bish­er 40 auf 45 Prozent Min­derung bis 2030 ange­hoben wer­den. Fraglich jedoch bleibt, ob dabei auch ein Min­dest­preis gel­ten soll. Zudem soll ein CO2-Preis auch für Sek­toren außer­halb der Strompro­duk­tion ein­gerichtet wer­den. Die gel­tenden Ver­bote auf Plas­tikar­tikel, welche die EU im Dezem­ber beschlossen hat­te und die ab 2021 gel­ten, sollen aus­geweit­et wer­den. So sollen die Plas­tik­müllein­träge um 50 Prozent bis 2023 reduziert wer­den. Im Novem­ber 2017 hat­ten sich die Mit­gliedsstaat­en zu ein­er weit­eren Ver­längerung der Zulas­sung es Unkrautver­nich­tungsmit­tels Glyphosat um fünf Jahre aus­ge­sprochen. Die SPD set­zt sich für ein Ver­bot des Unkrautver­nich­tungsmit­tels nach 2023 ein. Darüber hin­aus soll eine neue Tier­schutz-Strate­gie konzip­iert wer­den, um die Vor­gaben bei Tier­trans­porten und beim Erwerb von Haustieren strenger zu regulieren.

Ernüchternde Bilanz bei CDU und FDP

Weit­er­hin umstrit­ten: Die­selver­bote und die Mobil­ität der Zukunft

Der parteipoli­tis­che Duk­tus des Wahl­pro­gramms der CDU/CSU strebt indes eine Har­mon­isierung von ökol­o­gis­chen und ökonomis­chen Inter­essen an. Die Union möchte sich entsch­ieden für den Kampf gegen den Kli­mawan­del ein­set­zen, allerd­ings “mit Ver­nun­ft und Augen­maß”, wie es in dem Wahl­pro­gramm heißt. Zwar forciere man ein ressourcenscho­nen­des Wach­s­tum, aber unter den Bedin­gun­gen von “echt­en Leben­schan­cen und Zukun­ft­sjobs”. Die Auto­mo­bilin­dus­trie möchte man dabei als Inno­va­tion­streiber stärken. Die Entwick­lung emis­sion­sarmer Antrieb­s­for­men soll unter einem tech­nolo­gie­of­fe­nen Ansatz inno­v­a­tive Forschung ermöglichen. Die Union schließt dabei aus­drück­lich “die Entwick­lung des sauberen Ver­bren­nungsmo­tors” ein. Eine Ablehnung des Diesels ste­ht für die Union­sparteien nicht zur Dis­po­si­tion. Beze­ich­nend ist im Übri­gen auch, dass man erst nach der EU-Wahl über eine CO2-Steuer entschei­den möchte, wie Gen­er­alsekretär Paul Ziemi­ak Ende April verkün­dete. Ziemi­ak betonte im gle­ichen Atemzug, dass man vor allem auf mark­twirtschaftliche Instru­mente [set­ze], um die Emis­sio­nen zu reduzieren.“

Wenig vielver­sprechend mutet das FDP Wahl­pro­gramm zur Europawahl an. Von den ins­ge­samt 65 Seit­en Wahl­pro­gramm, sind ger­ade mal 3 Seit­en dem Kli­maschutz gewid­met. Zum Ver­gle­ich: Die Grü­nen schildern ihre Kli­ma-Strate­gie in ihrem Wahl­pro­gramm auf 33 Seit­en. Die FDF möchte auf Europäis­ch­er Ebene grund­sät­zlich keine Ver­bote durch­set­zen, son­dern lediglich Anreize schaf­fen. Daher negiert die FDP auch einen CO2-Min­dest­preis. Der CO2-Emis­sion­spreis müsse sich mark­twirtschaftlich durch einen weltweit vere­in­barten und strin­gent angelegten Emis­sion­shan­del (ETS) bilden.

In jedem Fall: Am Sonntag wählen gehen!

Die Band­bre­ite an Ver­sprechen und Zie­len für die kom­menden Leg­is­latur des Europa­parla­ments ist also bre­it: Von Ver­weigerung sämtlich­er Maß­nah­men bis hin zum staatlich finanzierten Wan­del. Kli­maschutz ist eins der zen­tralen The­men dieser Europawahl, und gle­ichzeit­ig nur eines von vie­len. Wichtig bleibt der Appell, am 26. Mai zur Wahl zu gehen, und seine*ihre Stimme abzugeben. Denn wer selb­st nicht wählt, über­lässt anderen die Entscheidung.

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