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Keine Panik auf der Titanic!

von Mag­dale­na Mittermeier

Das erste Mal auf der Kli­makon­ferenz? Die COP fühlt sich oft an wie ein großer Oze­an­dampfer – kein Land in Sicht. Aber keine Panik auf der Titanic … 

Der erste Eindruck

Man hat schon viel davon gehört – riesige Ver­anstal­tung, wichtige Poli­tik­er, bedeu­tende Ver­hand­lun­gen. Aber wie ist es nun wirk­lich, wenn man selb­st vor Ort ist? 

Der erste Anschein: Über­aus beein­druck­end. (Fast) alle Staat­en der Welt ver­han­deln hier unsere Zukun­ft! Gle­ich am Ein­gang ist eine riesige Außen­wand bedruckt mit allen Flaggen dieser Welt. Beim Betreten des Kon­feren­zgelän­des erin­nert die COP (Con­fer­ence of the Par­ties) erst­mal an einen Flughafen – eine mehrrei­hige Warteschlange für eine aus­giebige Sicher­heit­skon­trolle wartet auf uns. 30.000 Men­schen haben in den ver­gan­genen zwei Wochen die COP24 in Katow­ice besucht. Beim ersten Gang durch das Kon­feren­zgelände gibt es genug Anlässe für Euphorie: Gle­ich hin­ter dem Ein­gang ste­hen Jugendliche, die ger­ade eine Aktion durch­führen, es gibt ein­ladende aufwendig aufge­baute Stände zum Aus­tauschen, Essen, Kaf­feetrinken für Radio & Fernse­hen etc. – „Wel­come to Katow­ice!“. Ich freue mich, hier zu sein. Eine angeregte Stim­mung liegt in der Luft.

Das Gelände ist sehr weitläu­fig, wir brauchen eine Vier­tel­stunde, um über­haupt bei unserem ersten Mor­gen­meet­ing von YOUNGO anzukom­men, der offiziellen Inter­essen­vertre­tung des UNFCCC für junge Leute auf der Klimakonferenz.

Auf dem Weg dor­thin durchkreuzen wir die Pavil­lons. Ein Bere­ich, der ein­er Messe gle­icht und in dem alle Län­der und NGOs einen the­ma­tis­chen Bere­ich gestal­ten kön­nen. Während Indi­en mit inter­ak­tiv­en Ani­ma­tio­nen, 3D- Pro­jek­tio­nen und Fil­men beein­druckt, konzen­tri­eren sich andere Län­der wie beispiel­sweise Deutsch­land auf ein umfan­gre­ich­es Pro­gramm mit vie­len Vorträ­gen und Podiumsdiskussionen.

Der erste Tag rauscht an mir vor­bei, während ich ver­suche aus dem vollen Pro­gramm gle­ichzeit­iger Events die Inter­es­san­testen her­auszupick­en und von einem Bere­ich der Kon­ferenz zum anderen jage. Erst spät am Nach­mit­tag merke ich, dass mein Magen knurrt. 

Orientierungslos

Schnell wird mir klar, dass, nur weil man vor Ort ist, das nicht bedeutet, dass man über die aktuellen Ver­hand­lun­gen wirk­lich auf dem Laufend­en ist. Wie auf einem Oze­an­dampfer – über­all um einen herum nur Wass­er – es fällt schw­er sich zu ori­en­tieren. Ich bin froh über die ECO-Zeitung, ein mehr­seit­iges Blatt das jeden Tag vom Cli­mate Action Net­work aus­geteilt wird und über die COP-inter­nen Neuigkeit­en informiert, und die Arbeit der Cli­mate Track­er – ein­er kleinen Organ­i­sa­tion junger, dynamis­ch­er Leute, die sehr gute Recherc­hear­beit bezüglich der Ver­hand­lun­gen leis­ten. Trotz­dem ist die Fülle an Infor­ma­tio­nen enorm und man fühlt sich schnell mal überfordert.

Ich konzen­triere mich auf mein schon im Vor­feld aus­gewähltes The­ma und gehe in die Auf­tak­tver­anstal­tung des Talanoa Dialogs. Der Talanoa-Dia­log ist ein Gespräch­skonzept aus Fid­schi, das einen Aus­tausch auf Augen­höhe bewirken soll. Er ist Teil der Bestand­sauf­nahme der nationalen Kli­maschutzbe­mühun­gen (Nation­al­ly Deter­mined Con­tri­bu­tions (NDCs)). Momen­tan reichen die frei­willig ein­gere­icht­en NDCs nur für eine Begren­zung der Erder­wär­mung auf unerträgliche 3°C. Der Dampfer steuert in unsichere Gewäss­er. Deswe­gen sollen die Ziele alle 5 Jahre hochgeschraubt wer­den. Lee Housung, der Direk­tor des IPCC betont: „Jedes biss­chen Erwär­mung zählt, jede Hand­lung zählt, jedes Jahr zählt!“.

Ernüchterung und Euphorie wechseln sich ab

Im Laufe meines zweit­en Tages frage ich mich, was es eigentlich bewirkt, dass ich hier bin. Ein Schiff in voller Fahrt — der Kurs lässt sich kaum bee­in­flussen. Zugang zur Steuerk­abine bekommt man natür­lich nicht, man treibt sich wie so viele andere auf dem Deck herum. Aber dann merke ich: hier bewegt sich viel! Es gibt sehr viele, gute, inno­v­a­tive Ideen. Es wird sich aus­ge­tauscht, disku­tiert. Ich genieße die inter­es­san­ten, auf den Punkt gebracht­en Vorträge von IPCC-Wis­senschaftlern und die angeregten Podi­ums­diskus­sio­nen im deutschen Pavil­lon oder dem öffentlich zugänglichen Cli­mate Action Hub. Die Basis ist stark! Ich bin begeistert! 

Und dann tre­f­fen wir Leute, die Zugang zur Kom­man­do­brücke haben. Durch ein spon­tanes Momen­tum während unseres Side-Events im deutschen Pavil­lon wird Lara aus unser­er Kli­madel­e­ga­tion von Sven­ja Schulze per­sön­lich in den Talanoa-Dia­log geschleust und erhält die Möglichkeit vor hochrangi­gen Min­is­tern zu sprechen. Es geht doch etwas! Auch wenn man nur an kleinen Räd­chen dreht, stößt eine Aktion die näch­ste an. 

Mit Wind in den Segeln Vollgas geben

Es ist lei­der aber auch mehr als aller­höch­ste Zeit… Wir wis­sen längst, dass wir uns auf kein­er guten Route befind­en. Wir wis­sen längst, wo unser Ziel­hafen liegen würde. Und wir wis­sen auch längst, dass wir dafür eine scharfe Kurve drehen müssen. 12 Jahre bleiben uns noch Zeit dafür… Das Ungerechte ist, dass diejeni­gen, die über die Route entschei­den, deren Auswirkun­gen nicht mehr in vollem Maßen spüren wer­den. Diejeni­gen, die von den Resul­tat­en unser­er heuti­gen Entschei­dun­gen betrof­fen sein wer­den, kön­nen nichts mehr daran ändern. Wir Jun­gen sind die erste Gen­er­a­tion, die vom Kli­mawan­del betrof­fen sein wird und die let­zte, die daran etwas ändern kann! Wir soll­ten unsere Stimme hören lassen. Noch lässt sich der Kurs drehen! Eine Aktion stößt die näch­ste an, eine Idee die näch­ste — und ein Men­sch den nächsten. 

Als ich nach drei Tagen auf der COP nach Hause komme, erhalte ich viel pos­i­tive Res­o­nanz aus meinem Umfeld und ich führe viele inter­es­sante, anre­gende Gespräche. Mit einem Fer­n­glas und ein­er Por­tion guten Mutes ist Land in Sicht! Jet­zt geht es darum den Kurs direkt darauf zu halten. 


Mag­dale­na ist seit 2018 in der Kli­madel­e­ga­tion und war 2018 zum ersten Mal auf der COP. Sie hat Physis­che Geo­gra­phie studiert und pro­moviert im Bere­ich der Kli­mafol­gen­forschung. In der Kli­madel­e­ga­tion engagiert sie sich beson­ders in der Arbeits­gruppe zum Glob­al Stock­take und für Klimabildung.

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