von Anna Braam
”[…] Parties should, when taking action to address climate change, respect, promote and consider their respective obligations on human rights, the right to health, the rights of indigenous peoples, local communities, migrants, children, persons with disabilities and people in vulnerable situations and the right to development, as well as gender equality, empowerment of women and intergenerational equity […]
Präambel des Pariser Klimaabkommens
In der Präambel des Pariser Klimaabkommens werden eingangs die Grundsätze aufgeführt, welche Länder im Rahmen ihrer Klimaschutzmaßnahmen einhalten sollen. Dazu zählen etwa die Menschenrechte, Rechte indigener Völker und das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Doch was bedeutet in diesem Zusammenhang eigentlich ‚Generationengerechtigkeit‘?
Was ist Generationengerechtigkeit?
Generationengerechtigkeit meint ein faires, gerechtes Verhältnis zwischen den Generationen. Lasten, Pflichten und Ressourcen sollen gleichberechtigt zwischen den Generationen verteilt sein. Je nachdem, welcher Generationenbegriff angewendet wird, handelt es sich um ein temporales oder intertemporales Verständnis von Generationengerechtigkeit.
Bei der temporalen Generationengerechtigkeit nehmen wir an, dass zu jedem Zeitpunkt mindestens drei Generationen zusammen leben – die junge (0–30 Jahre), die mittelalte (30–60 Jahre) und die alte Generation (älter als 60 Jahre). Die Rentenpolitik wird bspw. vor dem Hintergrund der temporalen Generationengerechtigkeit diskutiert, etwa wenn es um die Erhöhung der Renten oder Rentenbeiträge geht: Dann wird gefragt, ob eine Generation einseitig bevorzugt oder benachteiligt wird. [1] Auch im Bereich der Jugendpartizipation wird ein gerechtes Verhältnis zwischen Jung und Alt angestrebt. Hier geht es vor allem um eine faire Aufteilung von administrativen Zugängen zu Entscheidungen sowie Entscheidungsbefugnissen. In diesem Sinne ist auch unser offener Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier zu verstehen. Wir möchten, dass in einem Gremium wie der Strukturwandelkommission, die den deutschen Kohleausstieg verhandelt, auch junge Menschen eine gleichberechtigte Stimme haben.
Die intertemporale Generationengerechtigkeit geht von einem weiten Generationenbegriff aus. Demnach lebt immer nur eine Generation zu einem Zeitpunkt. Unterschieden wird zwischen vergangenen, heutigen und zukünftigen Generationen. Während es für uns schwer ist, im Nachhinein etwas für vergangene Generationen zu unternehmen, können wir bereits heute das Leben unserer Nachkommen beeinflussen. Die Umwelt- und Klimapolitik ist dafür ein Paradebeispiel: Ein schwacher Klimaschutz kann bereits heute das Recht der zukünftig Geborenen auf eine intakte Umwelt verletzen. Die Rechte zukünftiger Generationen müssen also schon jetzt von der heutigen Generation geschützt werden. Der Handlungsspielraum der zukünftigen Generation darf nicht durch politische Maßnahmen eingeschränkt werden, die von den heute Lebenden beschlossen werden. Vor diesem Hintergrund ist die Aufgabe des Klimaziels 2020 – die Einsparung von 40% CO2 im Vergleich zu 1990 – eine verantwortungslose Haltung seitens der Bundesregierung.
Generationengerechtigkeit im politischen Alltag? Fehlanzeige!
Viele Eltern möchten, dass es ihren Kindern einmal besser gehen soll als ihnen. Man könnte also meinen, ein Hang zu generationengerechtem Verhalten wäre in unserer Gesellschaft bereits verankert. In der Politik sieht das allerdings anders aus: Der Demokratie wohnt nämlich ein Strukturproblem inne – wer gewählt oder wiedergewählt werden möchte, orientiert seine Politik und den Wahlkampf an den Interessen der Wählerinnen und Wähler. Zukünftige Generationen haben heute noch keine Stimme und die junge Generation darf erst dann ihr Kreuz machen, wenn sie mindestens 18 Jahre alt ist. Folglich erleben wir gerade in Deutschland, dem nach Japan zweitältesten Land der Welt, dass Politik für die Mehrheit der Wählerschaft gemacht wird – und die ist über 50 Jahre alt.
Was ist zu tun?
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Natürlich ist es richtig und demokratisch legitim, wenn sich Politikerinnen und Politiker an den Interessen ihrer Wählerschaft ausrichten. Problematisch wird es aber dann, wenn Themen wie Rentenpolitik und Innere Sicherheit auf der Agenda nach vorne rücken und Zukunftsthemen wie Bildung, Klima und Digitalisierung auf der Strecke bleiben. Damit das nicht geschieht, braucht es einerseits eine starke Beteiligung junger Menschen auf allen politischen Ebenen sowie andererseits eine institutionelle Repräsentation zukünftiger Generationen im heutigen Politikgeschehen, z.B. durch einen Zukunftsrat oder eine Gesetzesfolgenabschätzung, die Gesetzesentwürfe im Parlament blockieren kann, wenn diese nicht den Anforderungen der Generationengerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit entsprechen.
[1] Das Gesetz „Rente mit 63“ der vergangenen Legislaturperiode ist ein Beispiel für die einseitige Bevorzugung der Rentnergeneration und wurde von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen mit dem Legislativ-Preis für das generationenungerechteste Gesetz ausgezeichnet. In der Begründung heißt es, die Rente mit 63 sei „eine milliardenteure Maßnahme, die angesichts der steigenden Lebenserwartung in Deutschland unverständlich bleibt und [nachrückende] Generationen teuer zu stehen kommen wird.“
Anna Braam (29) promoviert an der Universität Oldenburg in den Bereichen Politik- und Bildungswissenschaften zur Nachhaltigkeit demokratischen Entscheidens. Seit 2015 engagiert sie sich in der Klimadelegation und in der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Mit dem Radiosender Oldenburg Eins hat Anna darüber gesprochen, wie Politik für junge und zukünftige Generationen aussehen kann.