Deutschland als Klima-Vorreiter Nummer eins?
Einige Länder nehmen für sich in Anspruch, besonders ambitioniert den Klimaschutz voranzutreiben, und äußern sich optimistisch, dass die gemeinsamen Ziele erreicht werden können. Kritiker*innen verurteilen derartige Aussagen zunehmend als leere Lippenbekenntnisse ohne entsprechende Maßnahmen.
Länder, die das Pariser Abkommen ratifiziert haben (derzeit: 144), veröffentlichen so genannte NDCs (National Determined Contributions) in denen sie sich individuelle Handlungsfelder, Maßnahmen und Ziele in Bereichen wie der Einsparung von Emissionen, Anpassung, etc. festlegen, die sie erreichen wollen. Um die Realpolitik der Länder mit ihren NDCs vergleichen zu können, ist Transparenz bezüglich der tatsächlich durchgeführten Maßnahmen, Entwicklungen und ihrer Folgen wichtig.
Dazu ist es nötig, dass relevante Informationen gesammelt, verarbeitet und in Form von Berichten veröffentlicht werden. Sind die verwendeten Methoden, erhobenen Daten und gezogenen Schlussfolgerungen durch unabhängige Expert*innen verifizierbar, spricht man von einem transparenten Prozess. Dadurch kann nicht nur festgestellt werden, ob ein Staat seine Klimaversprechen einhält, sondern vielmehr auch die individuellen Maßnahmen der Länder in Relation zum globalen Ziel, die mittlere globale Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu beschränken, setzen.
Transparenz-Mechanismus unter dem Pariser Abkommen
Unter dem Pariser Abkommen soll ein optimierter Transparenzmechanismus etabliert werden. Im Artikel 13 des Pariser Abkommens werden seine Ziele beschrieben: Er soll Verständnis und Nachvollziehbarkeit der Klimaschutz-Aktionen in Bezug auf Einsparung, Anpassung, Klimafinanzierung, Technologie-Transfer und Capacity-Building gewährleisten, um so ein möglichst umfassendes Bild der globalen Bemühungen zu bekommen und diese mit den erklärten Zielen und wissenschaftlich erforderlichen Bedingungen vergleichen zu können.
Der Mechanismus verpflichtet alle Länder, die das Pariser Abkommen ratifizieren, so genannte Update Reports alle zwei Jahre zu veröffentlichen. Diese wurden bereits 2014 von etwa 40 Industrieländern erstellt und beinhalten Informationen zu den Themen Einsparung, Anpassung, Klimafinanzierung, Technologie-Transfer und Capacity-Building. Außerdem müssen von allen Ländern nationale Treibhausgas-Inventare erstellt werden, die quantitative Daten zu Emissionen, Einsparungen und zur Reduzierung diverser relevanter Treibhausgase beinhalten. Des Weiteren sind die Länder angehalten, Informationen bereitzustellen, anhand derer die Fortschritte der Implementierung und Erfüllung der NDCs messbar sind.
Diese Informationen und Berichte werden von einem technischen Expert*innengremium überprüft. Dieses prüft dabei nicht nur, ob die Maßnahmen im Einklang mit den in den NDCs festgelegten Plänen sind, sondern identifizieren auch Sektoren, in denen Länder nicht ihr volles klimarelevantes Potenzial nutzen. Das Expert*innengremium unterstützt außerdem Entwicklungsländer dabei, fehlende Kapazitäten zu identifizieren, die für die Bereitstellung der Informationen notwendig sind.
Der Transparenz-Mechanismus soll mit Blick auf die unterschiedliche ökonomische Situation von Ländern des Globalen Südens oder Nordens flexibel gestaltet werden, sodass für Least Developed Countries oder Inselstaaten andere Berichterstattungszyklen gelten und diverse Unterstützungsmechanismen eingerichtet werden.
Wie transparent ist Transparenz?
Derzeit zeichnen sich jedoch noch einige Herausforderungen für einen zielführenden Transparenz-Mechanismus ab: Die derzeitig vorliegenden (I)NDCs unterscheiden sich in Ausführlichkeit und Präzision und machen damit die Evaluierung des Fortschritts der Implementierung kompliziert oder nicht eindeutig quantifizierbar. So geben Länder unterschiedliche Fristen für ihre Einsparungsziele an (2025, 2030, 2050), nutzen bei relativen Einsparungen unterschiedliche Vergleichsjahre (1990, 2005) oder geben gar keine quantifizierbaren Zielwerte an. Außerdem machen optionale Angaben zu verschiedenen Themen das Bild unvollständig, sodass zwar Bemühungen rund um Einsparung von Emissionen und Technologietransfer relativ nachvollziehbar sind, andere Bereiche jedoch weiterhin ungenau dokumentiert werden – zum einen unvollständig, zum anderen aufgrund eines mangelnden einheitlichen Formats auch schwer nachvollziehbar und kumulierbar. Nichtstaatliche Akteure oder sub-nationale Institutionen mit ihren Ambitionen, als Quelle für Klimafinanzierung, werden nicht mit eingebunden.
Ein weiteres zentrales Problem sind mangelnde Kapazitäten auf Seiten der Länder zur Erhebung der Daten und zum Erstellen der Berichte sowie des technischen Expert*innengremiums. Treibhausgasinventare und ‑emissionen überwachen ist eine Tätigkeit, die in Vergangenheit nur von einem Teil der Länder des Globalen Nordens erfüllt wurde, es fehlt daher vielerorts das nötige Wissen oder die notwendigen Strukturen. Gleichzeitig wird Kritik geäußert, dass das bereits existierende Expert*innengremium derart skalierbar ist, dass es kaum in der Lage ist, sich mit bis zu 150 Ländern, deren Berichten und variierenden Informationsmengen zielführend auseinanderzusetzen [1].
Wie geht’s jetzt weiter?
Im ursprünglichen Plan zur Implementierung und Ausgestaltung des Pariser Abkommens ist das Ziel, das exakte Konzept des Transparenz-Mechanismus bis 2018 im Facilitative Dialogue beschlossen zu haben und diesen dann ab 2020 zu implementieren. Bei oben genannten, entscheidenden Problemen muss die Staatengemeinschaft jedoch noch geeignete Lösungen finden. Noch hat sie planmäßig Zeit. Ob dieser Zeitplan der Dringlichkeit des Themas gerecht wird, sei mal dahingestellt. Derzeitige Bemühungen der Länder reichen nicht aus, um die Klimaerwärmung tatsächlich deutlich unter 2°C zu halten. Deswegen wäre ein effektiver Transparenz-Mechanismus so früh wie möglich wünschenswert, um Länder ohne ausreichende Klimaschutz-Ambitionen kritisieren und zu weitreichenderen Zusagen motivieren zu können. Eine derartige Ambitionssteigerung der Länderzusagen war erstmals für 2018 geplant und sollte nicht dadurch vernachlässigt werden, dass man sich mit der Konzeption des Transparenz-Mechanismus im Verzug befindet.
[1] http://www.nature.com/news/paris-climate-deal-hinges-on-better-carbon-accountancy‑1.19237