Im zweiten Interview unserer Serie zu Covid-19 und Klimawandel in Ländern des Globalen Südens sprechen wir mit Pratikshya Aryal, Kavita Khanal und Samita Ghimire aus Nepal. Sie berichten uns über die Situation in ihrem Heimatland bedingt durch die Corona-Pandemie und die Klimakrise. Im Interview geht es außerdem darum, welche Lehre sie aus der Pandemie-Lage ziehen.
Situation vor der Corona-Pandemie
Klimadelegation e.V.: Wie war die Situation in Bezug auf den Klimawandel in deinem Land vor der Corona-Pandemie?
Kavita Khanal: Als Entwicklungsland ist Nepal grundsätzlich anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. Insbesondere extreme Wetterereignisse haben die Menschen in verschiedenen Teilen des Landes schon immer weiträumig beeinflusst und obwohl Regierung und Bevölkerung gut über die Situation Bescheid wissen, wird nicht genug getan, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Ich persönlich beobachte, dass mein Land und die Regierung die ganze Zeit reaktiv sind, anstatt aktiv zu planen, was hier notwendig wäre. Da ich außerhalb meiner Heimatstadt studiere, war es für mich insbesondere bei Überschwemmung und Erdrutschen schwierig, dass ich nicht zu meiner Familie zurück konnte.
Pratikshya Aryal: Der Klimawandel wirkt sich insbesondere auf die Artenvielfalt in Nepal aus. Deshalb kann man auch vermuten, dass sich eine neue Pandemie entwickelt, da sich die Tiere den menschlichen Gewohnheiten annähern und die meisten der bisherigen Pandemien zoonotisch sind. Durch die kontinuierliche Abschottung in der jetzigen Situation wurde die Umweltverschmutzung verringert, was die Umwelt sauber und grün macht. Aber das ist nur von kurzer Dauer.
Bald wird es wieder so aussehen, wie früher, wenn wir jetzt nicht etwas ändern.
Klimadelegation e.V.: Wie stand es um die politische/gesellschaftliche Situation?
Samita Ghimire: Nepal ist ein Entwicklungsland und verfügt nicht über die effektivste Infrastruktur und das beste Gesundheitssystem. Obwohl die Zahl der Gesundheitseinrichtungen zunimmt, gibt es insbesondere auf dem Land eine ungleiche Verteilung der verfügbaren Einrichtungen. In den Dörfern fehlen selbst grundlegende Gesundheitseinrichtungen, die in den Städten leicht zugänglich sind. Der Zustand der Sozioökonomie ist ähnlich. Es gibt Ungleichheiten in den verschiedenen Wirtschaftsklassen und auch zwischen den Geschlechtern.
Pratikshya Aryal: Mit dem Beginn der Pandemie wurde die gesamte Arbeit unterbrochen, was uns vor verschiedene Herausforderungen stellt. Die durch die Pandemie hervorgerufenen Störungen in allen Bereichen wie Infrastrukturentwicklung, Industrie, Wirtschaft, Bildung und sozio-ökonomischer Entwicklung sowie die Auswirkungen der Pandemie auf die Umwelt und klimatische Veränderungen sind eine große Bürde.
Kavita Khanal: Für öffentliche Gesundheit, auch wenn sich nicht viel getan hat, habe ich trotzdem das Gefühl, dass die Situation irgendwie besser ist als früher. Das könnte der Grund dafür sein, dass Nepal im Moment in der Lage ist, die Situation irgendwie in den Griff zu bekommen, aber die öffentliche Gesundheit hat immer noch nicht genug Aufmerksamkeit erhalten. Vor dieser Corona-Situation war Nepal überhaupt nicht bereit oder vorbereitet auf eine Pandemie. Aber glücklicherweise hat sich die Corona-Welle hier bei uns verzögert, so dass wir die Zeit hatten, uns vorzubereiten. Ein weiteres großes Problem, das ich erwähnen muss, ist die “Korruption” bei den Regierungsvertreter. Das tritt auch jetzt in der Pandemie zum Vorschein.
Situation während Corona
Klimadelegation e.V.: Wie hat sich Corona auf Euch und Eure Familien ausgewirkt?
Kavita Khanal: Die Corona-Pandemie hat sich auf mich und meine Familie stark ausgewirkt. Wir haben viel Angst vor einer Erkrankung und gehen nur für grundlegende Dinge auf die Straße, tragen Masken sowie Handschuhe und wahren soziale Distanz. Auch wirtschaftlich ist es eine Herausforderung, weil wir Grundnahrungsmittel aufstocken mussten und das Gefühl haben, dass wir sie möglicherweise nicht bekommen werden, weil alles auf den Märkten vergriffen ist. Mein Vater konnte nicht arbeiten gehen und hat daher nichts verdient.
Samita Ghimire: Als Familie der unteren Mittelschicht gehörten wir zu denjenigen, die am stärksten von der Pandemie betroffen waren. Das tägliche Leben ist durch die Abriegelung zum Stillstand gekommen. Selbst nach Abschluss meiner Ausbildung war es mir aufgrund der nationalen Abriegelung nicht möglich, eine Arbeitsstelle zu finden und meine Karrierechancen wahrzunehmen.
Pratikshya Arya: Corona hat viele Auswirkungen auf uns. Aufgrund der Abriegelung sind wir nicht in der Lage, unseren Tagesablauf wie bisher fortzusetzen, und es ist finanziell sehr schwierig für meine Familie. Als Studentin fehlte mir besonders der Ideen- und Wissensaustausch mit meinen Freund*innen in persönlichen Treffen.
Klimadelegation e.V.: Wie seid ihr emotional mit der COVID-Situation umgegangen?
Kavita Khanal: Die gesamte Situation ist für uns alle sehr beunruhigend. Mental sind wir alle etwas angeschlagen. Wir fühlen uns einfach nicht sicher, weil wir nicht das Gefühl aber, dass andere Menschen die Lage ernst nehmen. Ich bleibe deshalb einfach zuhause.
Pratikshya Arya: Mir hat es geholfen, meine Freuden und Sorgen mit Familienmitgliedern zu teilen, da wir als Familie sehr verbunden sind. Und ich habe viel telefoniert.
Lektionen aus Corona — Botschaften für die Zukunft
Klimadelegation e.V.: Welche Lehren sollten wir aus der Corona-Krise für die Bekämpfung der Klimakrise ziehen (kollektiv und individuell)?
Kavita Khanal: Die Corona-Krise hat uns wirklich gelehrt, wie sich die Natur so schnell selbst heilt, wenn wir ihr Zeit geben.
Die Krise hat uns gezeigt, wie schlecht wir bisher mit der Natur umgegangen sind.
Wir müssen also lernen, dass unsere Natur schön ist. Unsere Entwicklung muss umwelt- und klimaverträglich stattfinden. Entwicklung und Natur müssen gemeinsam betrachtet werden. Sie sind nicht zu trennen.
Ich erwarte von der Regierung, dass sie ihre Investitionen in den Bereichen Gesundheit, öffentliche Gesundheit und Umwelt erhöht und dass sie auch die besten landwirtschaftlichen Pläne auf den Weg bringt. Die Menschen wurden durch den Lock-down ermutigt, selbst Gemüseanbau zu betreiben. Ich erwarte also, dass der Gesundheit, der Umwelt und der Landwirtschaft die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Samita Ghimire: Nach der COVID-19-Pandemie sollten wir auf weitere ähnliche Virusausbrüche vorbereitet sein, die wahrscheinlich aufgrund des Klimawandels entstehen werden. Um uns auf eine solche Situation vorzubereiten, sollten wir uns neben den Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels gleichermaßen auf Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels konzentrieren. Wir sollten die Öffentlichkeit auf die Auswirkungen, die die Klimakrise wahrscheinlich auf unser tägliches Leben haben wird, aufmerksam machen.
Wir Menschen müssen mit dem Klimawandel so umgehen wie mit der Pandemie.
Wir sollten uns dabei auch auf eine grüne Wirtschaft konzentrieren, indem wir nachhaltige und saubere Energiequellen aufbauen, um unsere Wirtschaft anzukurbeln.
Pratikshya Aryal: Pandemien haben uns unseren zahlreichen Unzulänglichkeiten und Lücken ausgesetzt, die in naher Zukunft überwunden oder gefüllt werden müssen. Aus mangelnder Bereitschaft oder der Unfähigkeit der Menschen, gegen diese Art von beispiellosen Verwüstungen vorzugehen, können vielfältige Lehren gezogen werden. Es ist alarmierend zu sehen, wie schlecht sich das genannte “beste Geschöpfe der Erde” entwickelt. Es erinnert uns stark daran, dass das Leben unvorhersehbar ist. Ich hoffe, dass diese Situation die ganze Welt zusammenbringt und eine gemeinsame Anstrengung unternommen wird, um die Welt nach der Pandemie zu einem besseren Ort zu machen, an dem die Menschen neue und bessere Lebensweisen lernen können. In Nepal sollte außerdem ein Stimulusprogramm zur Beschleunigung des Übergangs zu erneuerbaren Energien und ein klimafreundliches Projekt geplant werden.