Wie erleben junge Menschen auf dem afrikanischen Kontinent die COVID-19 Pandemie und die Folgen des Klimawandels? In diesem Teil unserer Interviewreihe lernen wir von Ravel Djielon Moutcheu, Jurist und Wissenschaftler in Kamerun und Daniel Anyorigya, Journalist und Aktivist in Ghana. Damit lenken wir den Blick auf Zentral- sowie Westafrika. Insgesamt ist noch nicht vorherzusehen, wie sich die Pandemie auf dem Kontinent entwickeln wird (Quelle) es zeichnen sich jedoch Herausforderungen z. B. durch den Stand der Infrastruktur im Gesundheitssystem ab (Quelle 2). Es ist zu befürchten, dass eine Wechselwirkung zwischen der Klimakrise und der Pandemie negative Folgen für die Bevölkerung haben wird.
„Das Corona-Virus ist eine weitere Gelegenheit, (…) eine widerstandsfähige Haltung gegenüber dem Klimawandel einzunehmen. Die Menschheit lebt in einer besonders heiklen Phase ihrer Existenz.“ (Ravel)
Situation vor Corona
Klimadelegation e.V.: Wie war die Situation in Bezug auf den Klimawandel in deinem Land vor der Corona-Pandemie?
Ravel: In Bezug auf den Klimawandel müssen wir feststellen, dass Kamerun trotz der Maßnahmen bei der Energiewende, der Förderung einer grünen Wirtschaft und der Verstärkung der Aufforstungskampagnen, auf die direkten Auswirkungen des Klimawandels nicht vorbereitet war. Das liegt unter anderen an Stadtplänen, die nicht die nötigen Informationen enthalten, inoffiziellen Gebäuden auf risikoreichem Land, Schwierigkeiten beim Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen, den Mangel an ökologischem Bewusstsein, Problemen beim Plastikmüllmanagement, Mängel beim Abwassersystem usw.
Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in Kamerun schon heute. Dazu gehören: ständige Überschwemmungen in den Großstädten des Landes (z. B. in Douala), Erdrutsche (z. B. in Gouache), und schlechte Ernten aufgrund der klimatischen Bedingungen. Zudem wirkt sich der Klimawandel indirekt und die Luftverschmutzung direkt auch auf die Gesundheit der Menschen in Kamerun aus, was angesichts der Covid-19 Pandemie besonders bedenklich ist. Das gilt auch für meine persönliche Gesundheit.
Daniel: Im Bereich Klimawandel und Landwirtschaftssektor hat die Regierung Ghanas in den letzten drei Jahren Vorzeigeprogramme eingeführt, um gegen mangelnde Nahrungsmittelsicherheit, Wasserknappheit und Arbeitslosigkeit im Land vorzugehen. Bleibende Probleme sind jedoch der Schmuggel von landwirtschaftlichen Produktionsmitteln und die Abzweigung von Ressourcen.
Im Bereich des Klimawandels allgemein haben wir 22 größere hydro-meteorologische Ereignisse in Ghana erlebt, von denen 16 Millionen Menschen betroffen waren und bei denen über 400 Menschen ums Leben kamen. Dazu kommen über 19 bedeutende Hochwasserereignisse und drei große Dürreereignisse. Fünf der klimabedingten Katastrophen haben Ghana mehr als 120 Millionen US-Dollar gekostet.
In Bezug auf den Klimawandel und den Gesundheitssektor lässt sich feststellen, dass das National Health Insurance Scheme, ein Regierungsprogramm, das die universelle Krankenversicherung anstrebt, durch die Erhöhung der Zahl der Leistungsempfänger einige Erfolge erzielt hat. Es ist jedoch nach wie vor bei verschiedenen Gesundheitsdienstleistern und Arzneimitteln verschuldet. Der Gesundheitssektor ist personell unterbesetzt und ActionAid Ghana führt dies auf die hohe Schuldendienstrate Ghanas zurück, die es der Regierung unmöglich macht, in diesen Sektor zu investieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Klimawandel vor allem Frauen und Kinder betrifft, und daher ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem erforderlich ist, das Sicherheit bietet.
Klimadelegation e.V.: Wie stand es um die politische/gesellschaftliche Situation?
Ravel: Vor der Covid-19 Pandemie hat Kamerun die Ausrichtung internationaler Fußball-Turniere vorbereitet, wie z. B. der Afrika-Cup. Dafür wurde verstärkt die Infrastruktur aufgebaut. Auf der wirtschaftlichen Ebene waren die Aussichten wirklich ermutigend. Jedoch ist Kamerun weiterhin mit vielen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen konfrontiert, wie z. B. der anhaltenden terroristische Bedrohung im Norden des Landes.
Situation während Corona
Klimadelegation e.V.: Wie hat sich Corona auf Euch und Eure Familien ausgewirkt?
Ravel: Während der Gesundheitskrise wegen Covid-19 wurden von der Regierung Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus ergriffen. Sie haben in hohem Maße zur Stärkung des Familienzusammenhalts und zur Nutzung und Entwicklung der digitalen Technologie beigetragen. Darüber konnte ich ein Berufspraktikum durch Homeoffice absolvieren und meine wissenschaftliche Forschungstätigkeit fortführen. Auf der sozialen Ebene können wir unter anderem die Verringerung der sozialen Interaktionen beobachten. Zudem sind mehrere Mitglieder meiner Familie arbeitslos geworden.
Daniel: Meine Eltern waren aufgrund des Lockdowns und anderer Einschränkungen nicht in der Lage, ein Einkommen zu erzielen. Dies erhöhte die finanzielle Belastung für mich und meinen Bruder. Die Lebenshaltungskosten stiegen durch den Anstieg der Preise für Lebensmittel. Durch weitere Familienmitglieder wurde die Familie jedoch ernährt.
Für mich persönlich bedeutet COVID-19, dass viele Programme und Workshops abgesagt wurden, die meine Fähigkeiten und Kenntnisse beruflich hätten verbessern können.
Lektionen aus Corona — Botschaften für die Zukunft
Klimadelegation e.V.: Welche Lehren sollten wir aus der Corona-Krise für die Bekämpfung der Klimakrise ziehen (kollektiv und individuell)?
Ravel: Das Corona-Virus ist eine weitere Gelegenheit für die Menschheit, eine widerstandsfähige Haltung gegenüber dem Klimawandel einzunehmen. Die Menschheit lebt in einer besonders heiklen Phase ihrer Existenz. Obwohl man nicht vergessen sollte, dass die Lösung in der Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (engl: Sustainable Development Goals) liegt, ist es dringend notwendig, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und die Aufklärung der Menschen über Klimaphänomene fortzusetzen. Zudem ist es wichtig, ein ökologisches Bewusstsein zu fördern und entsprechende Handlungsempfehlungen zu machen, um auf ein ökologisches Gleichgewicht hinzuarbeiten.
Es geht nicht mehr um einen präventiven Ansatz, sondern um konkrete Aktionen, um die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Dazu sollte jeder Mensch in der Lage sein, das Gewicht der individuellen als auch der kollektiven Verantwortung zu spüren und zugunsten dieses gemeinsamen Erbes der Menschheit zu handeln, um die Nachhaltigkeit des Lebens zu gewährleisten. Die Behörden sollten in der Lage sein, die Klimafrage ganz oben auf die Liste der Prioritäten für staatliches Handeln zu setzen. Klimaschutzmaßnahmen müssen zu einer politischen Angelegenheit gemacht werden, denn es handelt sich wirklich um ein öffentliches Interesse, von dem niemand abweichen kann.
Daniel: Angesichts unserer gegenwärtigen Situation sollten Politikerinnen und Politiker das nationale Krankenversicherungssystem nicht politisieren und höhere Ausgaben für das Gesundheitssystem aufbauen, die dazu beitragen, die Rechte der Ghanaer zu schützen.
Als Klimadelegation sehen wir, dass es noch ein Zeitfenster gibt, um durch globale Solidarität die Wechselwirkung zwischen Klima- und Covid-19 Pandemie zu begrenzen. Wenn du generell mehr über das Zusammenspiel der Krisen erfahren möchtest, schau‘ gerne bei unserem Blogppost vorbei.
Anmerkung der Redaktion: bei den Interview-Antworten handelt es sich um eine bearbeitete Übersetzung aus dem Französischen, bzw. Englischen.