Sechs der 630 Abgeordneten im deutschen Bundestag sind 30 oder 31 Jahre alt, das ist nicht einmal ein Prozent. Jüngere Abgeordnete sind momentan nicht vertreten. Dabei sind rund 16 Prozent der Wahlberechtigten nicht älter als 30 Jahre. Offensichtlich wird die Jugend nicht im Bundestag repräsentiert. „Moment“, könnte man einwenden „das bezieht sich ja nur auf das Alter der Abgeordneten!“ In Ordnung, dann werfen wir mal einen Blick auf die Jugendthemen „Klimawandel“, „Bildung“ und „Digitalisierung“.
Digitalisierung: Beim Ausbau des schnellen Internets belegt Deutschland in Vergleichen mit anderen Industrienationen die hinteren Plätze. Eigentlich sollen bis 2020 alle Haushalte einen Internetzugang mit mindestens 30 Mbit/s haben. Die Einhaltung dieses Ziels erscheint inzwischen so unwahrscheinlich, dass die EU unabhängige Prüfer nach Deutschland geschickt hat, die untersuchen sollen, weshalb der Ausbau hier nicht vorankommt. Ein Grund könnte laut einer Studie des Fraunhofer Instituts die Privatisierung sein. In Staaten, in denen Kommunen für den Ausbau verantwortlich sind, ist die Anbindung, insbesondere im ländlichen Raum, jedenfalls deutlich besser. Schnelles Internet bedeutet heute längst nicht mehr nur Netflix in 4K, sondern ist die Grundlage für die Digitalisierung. Das umfasst vom Online Banking über Tele-Ärzte und Industrie 4.0 fast alle Lebens- und Arbeitsbereiche unserer Bevölkerung. Umso merkwürdiger ist daher, dass hier bislang nicht noch mehr investiert wurde. Denn gegen einen schnellen Ausbau des Glasfasernetzes hätte kaum jemand etwas einzuwenden.
Bildung: Lässt man die Verwirrung um G8, G9, Y‑Modell, Haupt‑, Real- oder integrierte Gesamtschule mal außer Acht, tun sich noch weitere dringende Baustellen in unserem Bildungssystem auf. So fallen sehr viele Schulstunden aus, Klassen und Hörsäle sind oft überfüllt und mit der Teilnahme von Schüler*innen mit Behinderung oder mit unzureichenden Deutschkenntnissen kommen immer mehr Aufgaben auf die Lehrkräfte zu. Ein erster einfacher Schritt wäre die Einstellung von zusätzlichen Lehrkräften und Pädagog*innen, um kleinere Klassengrößen und ein besseres Betreuungsverhältnis zu erreichen.
Das von Politikern gern betonte Argument von Wirtschaft und Arbeitsplätzen wird hier auch bedient: Deutschlands Exportkraft resultiert zu großen Teilen aus der herausragenden Wissenschaft, also der Bildung. Ressourcen wie Öl, Erze oder Edelsteine gibt es hier kaum, weshalb die Innovationskraft des Landes das ist, was unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig macht. In dem Bereich der Erneuerbaren Energien arbeiten schon jetzt mehr Menschen, als in der fossilen Energiewirtschaft. Herausforderungen wie die Energie- und Verkehrswende, das Ziel von mehr Lebensqualität in den Städten, die Entwicklung im ländlichen Raum und auf lange Sicht die Transformation zu einer Post-Wachstums-Gesellschaft sind nur einige der Argumente dafür, unser Bildungssystem auszubauen und zu modernisieren. Um für die vielen neuen Probleme fundierte Lösungen zu haben, muss das Thema Bildung deutlich mehr in den Vordergrund rücken.
Klimawandel: Stark verbunden mit diesem Thema ist die Forderung nach Generationengerechtigkeit. Das bedeutet beispielsweise, dass unterlassene Maßnahmen im Klimaschutz Auswirkungen auf eine Generation haben werden, die heute noch nicht in der Position ist, diese Maßnahmen selbst zu veranlassen. Nimmt man die Braunkohletagebaue in NRW, so profitiert heute das Unternehmen noch vom Verkauf des produzierten Stroms, die Menschen der Region von einem großen Arbeitgeber und die Politik von niedrigen Arbeitslosenzahlen. Diese Tagebaue sind eine der größten Emittenten von Treibhausgasen und Schadstoffen in Europa und ihr Einfluss auf die Natur und das Klima ist erheblich. Die zukünftigen (in diesem Beispiel allerdings auch schon unsere Generation) Generationen müssen sich um die sogenannte Rekultivierung kümmern und sich gegen die Auswirkungen des Klimawandels wappnen. Mit Rekultivierung bezeichnet man einen Prozess, der die riesigen Löcher der Tagebaue nach dem Abbau der Kohle für Menschen und Tiere wieder nutzbar zu macht. Das umfasst oft Aufforstungsmaßnahmen und das Fluten der Tagebaue. Hierbei treten durch die riesigen Flächen immer wieder Probleme auf.
Die Bedeutung für das Klima wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die Braunkohleverstromung zur Hälfte für die Emissionen der Stromerzeugung in Deutschland verantwortlich ist, wobei ihr Anteil an der Stromversorgung 2011 nur bei einem Viertel lag. Damit ist die Braunkohle dreimal so schädlich für das Klima wie der Durchschnitt aller anderen zur Stromversorgung verwendeten Energieträger.
An dieser Stelle sei hervorgehoben, dass bei Weitem nicht auf alle Probleme mit der Braunkohle eingegangen wurde. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass die anfangs genannten Vorteile nicht unbedingt gelten. So hat beispielsweise die Aktie des Energiekonzerns RWE, der viele der Braunkohletagebaue in Deutschland betreibt, seit Jahren an Wert verloren und es wurde vergleichsweise wenig Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet.
Eine konsequente Energiewende würde nicht nur einen großen Beitrag zum Klimaschutz liefern, sondern würde auch international ein Beispiel für nachhaltige Wirtschaft sein. Durch die dezentrale Energiegewinnung können auch Entwicklungsländer zu einer zuverlässigen Versorgung kommen, da weniger Stromnetze nötig wären.
Zur Zeit arbeitet Deutschland mit Marokko zusammen, um die dortige Energiewende zu unterstützen. Solche Kooperationen wären eine gute Strategie, um den Klimawandel international zu bekämpfen und dabei gleichzeitig die Situation in vielen Ländern zu verbessern. Um dabei die Glaubwürdigkeit zu wahren, muss Deutschland seine Klimaschutzziele einhalten, was mit der derzeitigen Politik unwahrscheinlich aussieht. Ein Ziel der Bundesregierung ist eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40% bis 2020 gegenüber 1990. Derzeit sind wir bei ca. 28%. Hierbei dürfen selbstverständlich die Interessen der Arbeitnehmer in fossilen Energien nicht unter den Tisch fallen. Anstatt diese Technologien zwanghaft bis zum Ende zu erhalten, wäre es sinnvoller, den Betreibern jetzt klare Ziele vorzugeben. Die Unternehmen können dann besser planen, bekommen einfacher Kredite für Investitionen in erneuerbare Energien und könnten ihre Mitarbeiter frühzeitig umschulen, um sie nicht zu verlieren. Für den letzten Punkt könnte der Staat entsprechende Programme stärker fördern.
Insgesamt betrachtet, ist der Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Verantwortung für eine lebenswerte Welt tragen zu einem großen Teil die derzeitigen Machtinhaber. Daher sollte die Politik viel mehr mit der Jugend zusammenarbeiten, die sich zwar vielerorts stark für den Klimaschutz einsetzt, aber auch oft an die Grenzen ihrer Macht stößt. Klimaschutz ist kein Zukunftsprojekt, heute müssen die richtigen Entscheidungen getroffen werden!
Durch unsere Stimme können wir, die wir mit 16% ein großes politisches Gewicht haben, wirklich etwas verändern. So viele von uns haben in den vergangenen Jahren nicht gewählt und damit anderen die Entscheidung über oben genannte Themen überlassen. Damit wir ein Parlament bekommen, das unsere Interessen im gleichen Maß vertritt wie die jeder anderen Altersgruppe, sollte jeder von uns wählen gehen!
Als kleinen Orientierungsansatz haben wir uns die Wahlprogramme der “großen Parteien” mal durchgelesen und die Punkte heraus geschrieben, die für uns besonders relevant sind (nämlich Klima- und Jugendpolitik):
CDU/CSU:
- Das mit Abstand kürzeste Kapitel (nur 2 Seiten)
- Nichts zum Thema „Jugendbeteiligung in der Politik”
- Mehr und neue Aufstiegschancen für dual Ausgebildete (insbesondere, um ambitionierten jungen Menschen ohne Abitur Chancen zu bieten)
- Digitale Bildungsoffensive (schnelles Internet an allen Schulen/Hochschulen)
- Paris Agreement soll beibehalten werden
- Bekenntnis zu G7 in Elmau
- Marktwirtschaft soll Energiewende schaffen, kein staatlicher Einfluss
- Bekenntnis zu den Sustainable Development Goals
SPD:
- Kinderrechte ins Grundgesetz
- Gesetzlich verankerter Jugend-Check
- Wahlalter bei Bundestags- und EU-Parlaments-Wahlen auf 16 senken
- Jugendaustauschprogramm (Erasmus+ etc) stärker fördern
- Online-Lernangebot an Hochschulen fördern, damit das Studium zeit- und ortsungebundener wird
- Kein Kapitel über Klima, dafür über Umweltgerechtigkeit
- Bekenntnis zu PA
- Bis 2020 CO₂ halbieren
- Bis 2050 Treibhausgasneutral werden
- Bis dahin müssen konventionelle Energieträger unterstützen
Die Linke:
- Wahlalter auf 16 senken
- Kinder- und Jugendrechte ins Grundgesetz
- Internationale Jugendbegegnungen fördern
- Schnelle und leistungsfähige Breitbandanschlüsse, WLAN und zeitgemäße Hard- und Software an Schulen und Hochschulen
- Geflüchteten soll Zugang zum Internet offen stehen
- Arbeitnehmer*innenrechte für Crowdworking/ Digitale Arbeit
- “Wir stellen Innovationen und Digitalisierung in den Dienst des Öffentlichen. »Smart Cities« von links sind öffentlich, transparent und für alle zugänglich“
- Will ein Klimaschutzgesetz in dem 40% bis 2020, 60% bis 2030 und 95% bis 2050 vorgeschrieben werden
- Bekennen zum Paris Agreement
- Weniger große (Energie)konzerne, mehr solidarische Energieerzeugung (Energiegenossenschaften etc)
Bündnis90/Die Grünen:
- Institutionalisierung politischer Jugendgremien
- Wahlalter auf 16 absenken
- Kinder- und Jugendrechte ins Grundgesetz
- In der EU soll jeder junge Mensch spätestens 4 Monate nach dem Schulabschluss einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz erhalten
- mehr Geld für Kitas, Schule und Universitäten um Bildungsgerechtigkeit zu schaffen
- Ökologischen Möglichkeiten nutzen, die sich für die Energie- und Verkehrswende durch intelligente Steuerung, Automatisierung oder Vernetzung ergeben
- Arbeitsschutz an die digitale Arbeitswelt anpassen
- 7% des BIP in Bildung, 3,5% in Forschung und Entwicklung
- 20 schmutzigste Kraftwerke sofort abschalten
- bis 2030 100% Ökostrom
- ab 2030 werden nur noch abgasfreie Autos zugelassen
- industrielle Massentierhaltung innerhalb der nächsten 20 Jahre abschaffen
FDP:
- Bildungsausgaben erhöhen, bis Deutschland zu den Top 5 der OECD gehört
- In den nächsten fünf Jahren pro Schüler zusätzlich insgesamt 1.000 Euro für Technik und Modernisierung investieren
- “Deshalb wollen wir die Nachhaltigkeitsprüfung von Gesetzen anhand von Nachhaltigkeitsindikatoren stärken, parlamentarisch effektiv verankern und durch eine Generationenbilanzierung ergänzen. Dabei werden Leistungen der Gesellschaft für nachfolgende Generationen den Lasten gegenübergestellt: etwa Ausgaben für Bildung, Infrastruktur und soziale Sicherheit auf der Haben-Seite und Belastungen durch Staatsverschuldung, Pensionslasten und Verpflichtungen aus Generationenverträgen auf der Soll-Seite“
- Einführung eines Digitalministeriums
- Digitalisierung des Gesundheitssystems, Ausbau von E‑Health
- Subventionen für Erneuerbare Energien streichen
- Vielfältiger Energiemix, der offen für neue Technologien ist
- Fossile Energieträger sind unverzichtbar
- „Der Schutz des Klimas ist zu wichtig, um ihn bürokratisch und planwirtschaftlich anzugehen. Trotzdem dominieren diese Strategien mit verheerenden Folgen: Die Kosten laufen aus dem Ruder, ohne dass es zu angemessenen Erfolgen kommt. Ändern wir die Strategie in Richtung Marktwirtschaft!“
- Emissionshandel als zentrales Klimaschutzinstrument
- Keine technischen Auflagen zur Treibhausgasminderung; keine Subventionen für Vermeidungsstrategien
- Keine nationalen Alleingänge [von Deutschland], Klimaschutzplan 2050 rückgängig machen
AfD:
- Strafmündigkeit auf 12 absenken
- Jugendstrafrecht verschärfen
- Staatliches “Frühsexualisierungs-” und “Umerziehungsprogramm” abschaffen (auch bekannt als Sexualkunde-Unterricht, der darauf hinweist, dass nicht alle Menschen hetero und cis sind)
- Studierenden/Azubis mit besonders guten Leistungen soll die bafög-Rückzahlung erlassen werden
- Bachelor/Master abschaffen und wieder Diplom/Magister
- Ausbildungsberufe fördern
- Höhere Grundfinanzierung von Hochschulen, um Drittmittelabhängigkeit zu senken
- Digitalisierung wird im Wahlprogramm nicht erwähnt
- CO₂ ist kein Schadstoff, sondern lebensnotwendig
- der IPCC ist nicht vertrauenswürdig und die Erkenntnisse nicht gesichert
- Deshalb soll das Paris Agreement gekündigt werden und Deutschland aus sämtlichen staatlichen und privaten Klimaschutz-Organisationen austreten
- Erneuerbare Energien Gesetz ersatzlos streichen
- Laufzeit von Kernkraftwerken verlängern
- MINT-Fächer sollen in der Schule stärker gefördert werden, um Deutschland als Wissenschaftsstandort zu erhalten
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Eine umfangreichere Analyse der Klima- und Umweltpolitik der Parteien auf klimaretter.info
https://www.wahl-o-mat.de/bundestagswahl2017/
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Autoren: Charlotte & Simon