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Nach dem Umdenken die Verkehrswende

von Fen­ja Feitsch

Oft werde ich bemitlei­det, reise ich mit der Bahn, dem Fahrrad oder gar dem Bus an. „Du Arme!“ bekomme ich dann oft zu hören. „Hast du denn kein eigenes Auto?“ ist die Frage, die meist daran anschließt. Als wäre das Auto die bessere Lösung ganz egal welche Umstände vorliegen. 

Nein, ein eigenes Auto habe ich nicht. Und ich möchte auch gar keins. Und um Mitleid habe ich eigentlich auch nicht gebeten.

Mobil­ität bedeutet Frei­heit und Indi­vid­u­al­ität. Wir über­winden räum­liche Dis­tanzen um unser alltäglich­es Leben zu meis­tern. Zumeist liegt der Arbeit­sort nicht in unmit­tel­bar­er Nähe zum Wohnort. Auch Aktiv­itäten zur Erhol­ung, Bil­dung und Bespaßung in der Freizeit liegen meist räum­lich voneinan­der getren­nt. Vielmehr bedeutet „mobil sein“ auch „mod­ern sein“ und Teil­habe am öffentlichen, sozialen Leben. 

Mobil­ität wird durch den Verkehr und dieser wiederum durch Verkehrsmit­tel real­isiert – durch den öffentlichen Nah- und Fer­n­verkehr mit Zügen und Bussen, durch den Kraft­fahrzeugverkehr und Flugzeugverkehr oder auch durch den Fahrrad- und Fußverkehr.

Haupt­sache mobil – ob zu Fuß, auf zwei, vier oder mehr Rädern

Lei­der beste­ht eine Hier­ar­chie im Anse­hen der ver­schiede­nen Verkehrsmit­tel. Wie die Plätze inner­halb der Hier­ar­chie im Einzel­nen verteilt sind, ist abhängig von lokalen Möglichkeit­en und Begeben­heit­en und kann sich somit unter­schei­den. Nichts­destotrotz ist das Auto in den meis­ten Kul­turkreisen und Gesellschaften hoch ange­se­hen und zumeist ein Sta­tussym­bol. Ich werde für die Nutzung des ÖPV bemitlei­det und nicht ander­sherum – aber warum eigentlich? 

Der Besitz eines Autos ist mit hohen fix­en und vari­ablen Kosten, Ver­ant­wor­tung im Schadens­fall und Aufwand (Park­platz, Reini­gung) ver­bun­den. Ganz häu­fig bedarf es ganz neben­bei auch eines starken Ner­vengerüsts angesichts der vie­len Staus — ger­ade auf deutschen Straßen. Für mich sind das ein­deutige Argu­mente gegen den Besitz eines Autos. Ich nutze gerne Nah- und Fer­n­verkehrszüge sowie den Bus — dabei auch in Kauf nehmend, dass ich mit Ver­spä­tun­gen und Aus­fällen rech­nen muss. Ich möchte mich nicht finanziell binden durch ein Auto. Ich genieße den Umstand, dass ich mich bei tech­nis­chen Störun­gen oder Schä­den nicht küm­mern muss – anders als mit einem Auto. Ver­spä­tun­gen und Aus­fälle sind gewiss Kräfte zehrend, aber sitze ich erst­mal im Zug, so kann ich (ungestört) arbeit­en und muss mich nicht auf den Verkehr konzen­tri­eren.

Stim­mungskiller Stau

Laut der Umwelt­be­wusst­seinsstudie (2018) gehöre ich zu eben jenen Milieus, die kein Auto haben bzw. haben wollen, gerne Fahrrad fahren und zu Fuß gehen und häu­fig die Öffentlichen nutzen. Das ist keine Über­raschung. Die meis­ten unter 30-jähri­gen denken und han­deln wie ich (20). Laut der Studie sind wir die „Glob­ale und dig­i­tale Gen­er­a­tion“. Doch wirft man einen genaueren Blick in die Studie, so fällt auf, dass die Nutzung ver­schieden­er Verkehrsmit­tel schein­bar auch eine Frage der sozialen Lage ist. Umso höher die soziale Lage umso sel­tener fällt die Wahl des Verkehrsmit­tels auf die Öffentlichen – auch bei der jun­gen Gen­er­a­tion. Es scheint ganz so als wäre der ÖPV die zweite Wahl, die Wahl der­er, die finanziell nicht in der Lage sind, ein Auto unter­hal­ten zu kön­nen. So bleibt auch heute noch das Auto als Sta­tussym­bol: Wer über aus­re­ichend finanzielle Mit­tel ver­fügt, der leis­tet sich weit­er­hin ein Auto. 

Es bedarf ein Umdenken in den Köpfen der Men­schen. Ein neues Mind­set muss her, damit die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmit­tel „sexy“ ist. Warum nicht den Spieß umdrehen und diejeni­gen bemitlei­den, die weit­er­hin mit den Auto zur Arbeit kom­men, obwohl eine gute Anbindung an den ÖPV beste­ht. In Hong Kong ist das beispiel­sweise so. Das U‑Bahn, Bus- und Minibussys­tem ist einzi­gar­tig einzi­gar­tig gut. Man kommt inner­halb von kürzester Zeit gün­stig, zuver­läs­sig und sich­er von A nach B. Banki­er und Reini­gungskraft, Verkäufer*in und Büroangestellte*r, Student*in und Manager*in tre­f­fen hier ganz natür­lich und Tag für Tag aufeinan­der. Bemitlei­det wird der, der ein Auto besitzt und im Monat Unmen­gen an Geld für einen Park­platz aus­gibt. Doch Hong Kong ist eine Ausnahme.

Busse in Hongkong

Ganz gewiss, der ÖPV muss in weit­en Teilen Deutsch­lands und der Welt verbessert wer­den. Doch nützt dies kaum etwas, wenn die Men­schen let­ztlich nicht bere­it sind, umzusteigen und die Infra­struk­tur zu nutzen. Der öffentliche Per­so­n­en­verkehr hat das größte Poten­zial Emis­sio­nen in Zukun­ft einzus­paren. Er ist der Stell­hebel für eine kli­ma­neu­trale Zukun­ft und auss­chlaggebend, möcht­en wir die Ziele des Kli­maschutz­plans 2050 und damit des Übereinkom­mens von Paris erre­ichen. In Zukun­ft müssen Züge und Busse zugänglich für jeden, ver­füg­bar, sich­er, gün­stig und zuver­läs­sig sein. Es muss eine gute Infra­struk­tur auf die Beine gestellt werden.

Damit eine Mobil­itätsver­lagerung gelingt braucht es allerd­ings bei­des: eine gute Infra­struk­tur und Men­schen, die gewil­lt sind, diese auch zu nutzen.

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