Clara aus der Klimadelegation berichtet über einen dreitägigen Schnelldurchlauf durch die vielen Facetten der Klimagerechtigkeit.
Ankunft im langen Eugen — Auswirkungen von Trumps Austritt aus dem Paris Abkommen
Die GRÜNE JUGEND Bonn lädt ein zum Klimagerechtigkeitsseminar. Ein ganzes Wochenende lang werden wir uns mit Klimaschutz, ‑politik und ‑gerechtigkeit befassen. Treffpunkt: Freitag, 14:00 Uhr vor dem UN-Tower (Gibt es einen besseren Ort, um ein solches Seminar zu beginnen?!). Kritisch geprüft durch die Sicherheitsschleuse werden wir im Inneren des Zauns empfangen von Karl Prinz, Diplomat im Ruhestand, der sogleich beginnt, uns die Geschichte der einzelnen Gebäude auf dem UN-Campus zu erläutern. Der UN-Tower, ehemals das Abgeordnetenhaus des Deutschen Bundestages, verdankt seinen Spitznamen „Langer Eugen“ dem damaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier und spielt augenzwinkernd auf dessen geringe Körpergröße an. Nach einem kurzen Rundgang schreiten wir durch den Besuchereingang des Langen Eugen und nehmen den Aufzug in den 24. Stock. Dort begrüßt uns ein Sprecher des Sekretariats des UNFCCC. Der Sprecher stellt sich uns als Alex vor und entschuldigt sich für seine Augenringe. Er habe eine lange Nacht gehabt. Seine Chefin, Patricia Espinosa (Generalsekretärin der UN-Klimarahmen), sei gerade auf dem Weg in die USA und davor habe es noch viel zu besprechen gegeben. (Sidenote: Wir schreiben den 2. Juni 2017. Es ist der Tag, nachdem der US-Präsident Trump seinen Rückzug aus dem Pariser Abkommen verkündete.) Alex stellt sich unseren Fragen tapfer und spricht unerwartet offen. Er berichtet darüber, wie die Nachricht von Trump im Sekretariat aufgenommen wurde, welche Rolle die US-Staaten und ‑Städte im Pariser Abkommen einnehmen könnten, wie er persönlich die Zukunft in Bezug auf die USA und das Pariser Abkommen als solches sieht und wie das Sekretariat mit der Entscheidung umgeht. Wir reden außerdem über die anstehende COP23 und Karrierewege bei der UN. Als Fazit nehme ich daraus mit, dass das Sekretariat ebenso besorgt ist über die Entscheidung Trumps wie wir alle. Gesehen und erfreut begrüßt werden jedoch die Reaktionen der anderen Länder und die Möglichkeiten, neue Energien aus einer solchen Entscheidung eines einzelnen Staates zu ziehen.
Feinstaub & Ernährungssicherheit
Nach dem intensiven Anstieg am Freitagnachmittag wenden wir uns samstags dem Feinstaub zu. Aufgeteilt in Gruppen betrachten wir den Feinstaub aus einer gesundheitlichen Perspektive, den Feinstaub in der Presse und die Entstehung von Feinstaub allgemein. Die größte Feinstaubquelle ist wie erwartet der Straßenverkehr mit 51 %. Ich bin jedoch erstaunt zu lernen, dass davon lediglich 7 % Abgase sind, die anderen 44 % jedoch Abrieb und Aufwirbelungen. Das hat zur Folge, dass Elektroautos zumindest bezüglich der Feinstaubbelastung nicht viel besser sind als Autos mit Verbrennungsmotoren. Nach dem Mittagessen geht es direkt weiter mit einem spannenden Skype-Vortrag über die theoretischen Grundlagen von Klimagerechtigkeit. Wir lernen, wie viel Theorie dahintersteckt, welche verschiedenen Ansätze es gibt und wie Vulnerabilität und Gerechtigkeit zusammengehören.
Eike Zaumseil von Brot für die Welt führt uns sodann in die mangelhafte Ernährungssicherheit auf der Erde und die Zusammenhänge dessen mit dem Klimawandel ein. Laut der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) hungern weltweit 795 Millionen Menschen akut, während 2,5 Milliarden mangelernährt sind. 80 % der Hungernden leben auf dem Land und 70 % der Hungernden sind weiblich. Eike sagt, diese bereits erschreckenden Zahlen seien wohl auch noch zu niedrig. Woran diese Ungleichverteilung liegt, fragen wir uns, wo doch immer gesagt wird, dass genug Nahrungsmittel produziert werden, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Die Gründe sind vielfältig, u.a. fehlender Marktzugang und Verteilungsprobleme sowie Flächenkonkurrenz mit Tierfutter, gewaltsame Konflikte und Armut. Der Klimawandel hängt damit insoweit zusammen, dass Naturkatastrophen, steigende Meeresspiegel und extreme Dürren die Ernten bedrohen und die Versorgung erschwert. Wir erarbeiten also Empfehlungen und einigen uns darauf, dass einige der folgenden Punkte besonders wichtig sind: Klimawandel (Emissionen) begrenzen, verlässliche Klimafinanzierung schaffen, lokal angepasste Lösungsansätze für Bekämpfung der Mangelernährung, Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft, partizipative Forschungsprojekte sowie Geschlechtergerechtigkeit und Jugendpartizipation.
Genderdiskussion & Klimakommunikation
Gestärkt vom Abendessen wenden wir uns nun dem Thema „Gender und Klima“ zu. Lisa von GenderCC hat uns ein paar harte Fakten mitgebracht. 80 % der Menschen, die bei der Tsunami-Katastrophe 2015 starben, waren Frauen. Der Anteil der weiblichen Delegierten bei der COP21 in Paris lag bei 18 %. Die Fälle körperlicher und sexueller Gewalt gegen Frauen nahm in den sechs Monaten nach dem Hurrikane Katrina 2005 in den USA um 98 % zu. Klar wird, dass Frauen und Männer vom Klimawandel unterschiedlich betroffen sind und zu ungleichen Teilen an der Klimapolitik auf nationaler und internationaler Ebene beteiligt sind. Als Argumente dafür, dass Frauen und Männer gleichermaßen an der Klimapolitik beteiligt werden sollten, einigen wir uns auf die folgenden:
— Gleiche Beteiligung sollte ein Recht an sich in demokratischen Verfahren sein.
— Frauen haben spezifische Interessen, die sich von denen der Männer unterscheiden.
— Frauen haben spezifisches Wissen und spezifische Erfahrungen, die den Entscheidungsprozess bereichern können.
Am letzten Seminartag beschäftigen wir uns mit dem konkreten Aktivwerden. Andreas, Journalist bei Climatetracker, bringt uns nahe, was wir bei der Kommunikation über Klimawandel essentiell wichtig ist. Wir reden über Framing, Komplexität reduzieren, Zielgruppen, Werte, positive und negative Kommunikation. Bereit für die perfekte Kommunikation über den Klimawandel fühle ich mich noch lange nicht, aber ich weiß, wo ich anfangen muss und das ist genau hier und jetzt.
Für meine Arbeit in der JBZE Klimadelegation und meine persönliche Zukunft nehme ich aus dem Seminar mit, dass das Thema Klimagerechtigkeit ein zentrales und wichtiges Thema mit unglaublich vielen Facetten ist. Es lohnt sich, sich weiter damit zu beschäftigen und es lohnt sich auch dafür zu kämpfen, dass sich an der Ungerechtigkeit und den ungleichen Auswirkungen des Klimawandels auf Regionen und Menschen der Erde etwas ändert.
Autorin: Clara von Glasow