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Ende Gelände für den Kohleabbau in der Lausitz

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Für mehr als 48 Stun­den hieß es am Pfin­gst­woch­enende Ende Gelände für den Kohleab­bau in der Lausitz. In der bish­er größten Aktion zivilen Unge­hor­sams gegen Kohleab­bau in Deutsch­land kamen über 4000 Kli­maak­tivis­ten aus vie­len ver­schiede­nen Län­dern zusam­men und beset­zen in mehreren Grup­pen das Betrieb­s­gelände der Fir­ma Vat­ten­fall im Lausitzer Braunkohle Revi­er friedlich.

Die Massen an fröh­lichen Men­schen in weißen Schutzanzü­gen geben ein absur­des Bild ab in der grauen Mond­land­schaft der Krater des Tage­baus und lassen manch einen andächtig schaud­ern. „Das ist ein his­torisch­er Moment – wir machen klar dass ein Zeital­ter vor­bei ist“ sagt eine Aktivistin. Durch den Schutzanzug schim­mert ihr leuch­t­end grünes T‑Shirt auf dem die Auf­schrift prangt: „Kohleausstieg ist Handarbeit.“

Mit gemein­samer Han­dar­beit erre­icht­en die Aktivis­ten, dass der Kohleab­bau im Tage­bau Wel­zow-Süd für zwei Tage ruhte; das Kraftwerk Schwarze Pumpe war für 24 Stun­den vom Kohle­nach­schub abgeschnit­ten, da die Kohlev­er­ladesta­tion sowie sämtliche Zufahrts­gleise beset­zt waren. Sitzblock­aden, einzelne angeket­tete Aktivis­ten, eine Beton-Pyra­mide und von Brück­en an Klet­ter­seilen her­ab­hän­gende Aktivis­ten block­ierten die Gleise. Infolgedessen musste Vat­ten­fall die Leis­tung des Kraftwerks um ca. 80% zurück­fahren und lieferte zeitweise gar keinen Strom mehr.

Die Polizei set­zte im Gegen­satz zum Ein­satz bei der let­zten Ende-Gelände-Aktion im Rhein­land im Som­mer 2015 auf eine klar deeskalierende Strate­gie und griff trotz mehrerer Auf­forderun­gen Vat­ten­falls zur Räu­mung nur vere­inzelt, wenn auch bru­tal ein und nahm etwa 100 Aktivis­ten fest. Vat­ten­fall erstat­tete Anzeige wegen Land- und Haus­friedens­bruchs sowie Nöti­gung und Störung öffentlich­er Betriebe. Die Staat­san­waltschaft ließ unter­des ver­laut­en, dass ihrer Ein­schätzung nach Teile dieser Vor­würfe nicht gegeben seien.

Damit erre­icht­en die Aktivis­ten mehr, als sie zu Beginn der Aktion zu träu­men gewagt hat­ten. Dementsprechend aus­ge­lassen war die Stim­mung – ob beim Tanzen auf den Gleisen zu Sam­bat­rom­meln im Glitzer­re­gen, auf dem Son­nen­deck der kurz­er­hand umge­tauften Bag­ger, beim Fris­bee und Karten spie­len oder als mit Gesän­gen und Guter Laune die enorme Kälte der Nächte ver­trieben wurde. Auf die Anti-AKW Bewe­gung fol­gt nun die Anti-KKW-Bewe­gung und vere­int Men­schen jeden Alters und ver­schieden­ster Hin­ter­gründe, ob Stu­den­ten, Schüler, Land­wirte. Viele reis­ten über Wochen mit dem Fahrrad an – aus Eng­land, Frankre­ich, Schwe­den und Öster­re­ich. Auch inter­na­tion­al berühmte Per­sön­lichkeit­en wie Alber­to Acos­ta, Noam Chom­sky, Nao­mi Klein oder auch Van­dana Shi­va erk­lärten ihre Unterstützung.

Sie alle einte der Wun­sch eine klare Botschaft an Regierun­gen und Konz­erne senden, Kohle im Boden zu belassen, den Abbau zu been­den und erneuer­bare Energien auszubauen. Um das in Paris erk­lärte Ziel von max­i­mal 2° bzw. sog­ar das von der Wis­senschaft geforderten max. 1,5°C der Erder­wär­mung im Jahr 2100 zu erre­ichen müssten min­destens 80% der bekan­nten Kohlevorkom­men in der Erde verbleiben und somit ein Kohleausstieg so bald wie möglich umge­set­zt werden.

Neben der enor­men Freiset­zung von Klima­gasen hat der Kohleab­bau erhe­bliche Auswirkun­gen auf Men­sch und Natur: Mehr als 18.000 Men­schen ster­ben in der EU jährlich an der Luftver­schmutzung durch Kohlen­staub, Gewäss­er wer­den ver­schmutz und ganze Dör­fer abgeris­sen – der Stan­dort des Kli­macamps Proschim ist akut von diesem Schick­sal bedro­ht. So reagierten die Lausitzer ganz unter­schiedlich auf die angereis­ten Aktivis­ten. 1000 Men­schen schlossen sich ein­er Anti-Kohle Demo durch die Dör­fer an, und bedank­ten sich aus­drück­lich für die Unter­stützung. Für andere ist der Kohleab­bau erhe­blich mit der eige­nen Fam­i­liengeschichte und Iden­tität ver­woben. Sie sehen die Indus­trie als eine der weni­gen verbleiben­den Arbeit­ge­ber in der Region und fürcht­en sich vor Per­spek­tivlosigkeit. Infolgedessen zogen am Sam­stagabend Grup­pen durch die Gegend, ran­dalierten und bewar­fen Demon­stran­ten von Brück­en aus mit Gegen­stän­den. Dabei kön­nte ein Ausstieg aus dem Kohleab­bau für eine bere­its tech­nisch mögliche Ver­sorgung durch erneuer­bare Energien dur­chaus par­tizipa­tiv und sozial verträglich gestal­tet wer­den. Staatliche Kohle-Sub­ven­tio­nen, Investi­tio­nen öffentlich­er und pri­vater Fonds in Kohle und Lob­by­grup­pen lassen den Aus­bau erneuer­bar­er Energien und der daran angepassten Strom­net­ze nur schlep­pend vorangehen.

Ende Gelände sieht sich als zivilge­sellschaftlich­es Sig­nal dage­gen. Das Bünd­nis Ende Gelände sagt von sich: „Wir sind das Investi­tion­srisiko“ auf das sich der neue tschechis­che Investor gefasst machen muss, wenn Vat­ten­fall aus Image­grün­den die Lausitzer Grube nun verkaufen will. Es ist ein deut­lich­es Sig­nal an Konz­erne und Regierun­gen, an die Kli­mazwis­chen­ver­hand­lun­gen, die heute in Bonn begin­nen, sowie an die kom­menden G7 und G20 Gipfel.

Ende Gelände ist damit Teil ein­er weltweit­en Welle an Kohleprotesten, die unter dem Schlachtruf „Break Free from Fos­sil Fuels“ ein Ende von Kohle­sub­ven­tio­nen und Divest­ment fordern. So beset­zten etwa Aktivis­ten das größte Kohlekraftwerk Brasiliens und Mienen in Aus­tralien und den USA. Hun­derte Kanadier demon­stri­erten in Van­cou­ver gegen die Ver­schif­fung von Öl aus Teer­sanden. Sie alle set­zten damit Zeichen der Sol­i­dar­ität mit den Men­schen, die am stärk­sten von den Fol­gen des Kli­mawan­dels betrof­fen sind im Namen der Klimagerechtigkeit.

Text: Laima Politajs

Bilder: Ende Gelände

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