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Let’s Talanoa!

Unsere Zusammenfassung der Klimazwischenverhandlungen

Vom 29. April bis 10. Mai war es wieder soweit: Die diesjähri­gen Kli­mazwis­chen­ver­hand­lun­gen (im Fach­jar­gon: SB48 oder Inter­s­es­sion­als) fan­den in Bonn statt. Wir waren dort in bei­den Wochen mit ins­ge­samt 15 Leuten vertreten. 

Nach­dem vor knapp zweiein­halb Jahren das gefeierte Paris­er Abkom­men als Gerüst des zukün­fti­gen inter­na­tionalen Kli­maschutzes beschlossen wurde, sitzen die Län­der momen­tan immer noch daran, dafür die sub­stanziellen Regeln und Prozesse zu erstellen. Diese sollen bis Ende des Jahres fer­tiggestellt wer­den, damit das Paris­er Abkom­men 2020 pünk­tlich und vol­lum­fänglich in Kraft treten kann. Dass bis dahin aber noch viel Arbeit getan wer­den muss, wurde den Teil­nehmenden der Kli­mazwis­chen­ver­hand­lung schnell klar. 

Im Schnelldurchlauf: Ein kurzer Überblick

  • Vor allem das im UN Kon­text neue ‘Talanoa Konzept’ war ein großes Gespräch­s­the­ma. Die Idee: Gemein­sames Sto­ry­telling um, auf ein­er unge­wohn­ten Ebene miteinan­der zu kom­mu­nizieren und Ver­trauen zu fördern
  • Inter­gen­er­a­tionelle Gerechtigkeit & Men­schen­rechte: Die Zivilge­sellschaft fordert mehr Prinzip­i­en­treue im Regel­w­erk des Paris­er Abkommens
  • Die erste Entschei­dung nach dem Paris­er Abkom­men wird sich um Bil­dung drehen!
  • Gen­der und Ozeane: Zwei The­men, die präsen­ter werden
  • Inter­essenkon­flik­te: Was macht die Öl-Lob­by auf den Klimaverhandlungen?
  • Viele kleine Schritte bei den The­men Anpas­sung und Bestand­sauf­nahme zur Umset­zung des Abkommens

Talanoa Dialog

Um die Ambi­tio­nen für Kli­maschutz zu steigern, wurde im let­zten Jahr beschlossen, einen Talanoa Dia­log bei den Zwis­chen­ver­hand­lun­gen durchzuführen. Talanoa ist ein Gespräch­skonzept aus Fid­schi, bei dem die Teilnehmer*innen pos­i­tiv, respek­tvoll, auf Augen­höhe und ergeb­nisori­en­tiert Mei­n­un­gen und Geschicht­en aus­tauschen, um Ver­trauen untere­inan­der zu stärken. 

Eine Runde zum Talanoa Dia­log während der diesjähri­gen Inter­s­es­sion­als in Bonn.

Zen­tral sind dabei drei Fra­gen: Wo ste­hen wir? Wo wollen wir hin? Wie kom­men wir dor­thin? Dazu set­zten sich eine Ver­hand­lungsper­son pro Land mit Vertreter*innen der Zivilge­sellschaft zusam­men. Es wur­den viele Geschicht­en aus den Län­dern zu den drei Fra­gen erzählt. Bhutan nan­nte die Gletsch­er­schmelze einen „leisen Tsuna­mi“, die Bahamas ver­glichen ihre Schuh­größe mit dem dor­ti­gen Meer­esspiege­lanstieg und der Iran erzählte in Märchen­form à la 1001 Nacht. Auch die Diskus­sion zu den Lösun­gen fiel sehr bunt aus. Ins­ge­samt waren Verhandler*innen und Zivilge­sellschaft mit dem Dia­log zufrieden. Es hat­te sich eine gute Gespräch­sat­mo­sphäre entwick­elt, in der ins­beson­dere betrof­fene Län­der endlich gehört wur­den. Die Frage, wie dadurch die Ambi­tio­nen für den Kli­maschutz gesteigert wer­den kön­nen, ist aber weit­er­hin umstrit­ten. Mehr Infor­ma­tio­nen gibt es hier.

The Great Eight

Die “Great Eight”, das sind Men­schen­rechte, die Rechte indi­gen­er Völk­er, Nahrungssicher­heit, Gen­der­fra­gen, Gen­er­a­tio­nen­gerechtigkeit, öffentliche Teil­habe, gerechter Wan­del und die Erhal­tung der Integrität der Ökosys­teme sowie der Schutz der Bio­di­ver­sität. Wie bere­its ein­lei­t­end erwäh­nt, sollen bis Ende des Jahres die Regeln und Prozesse zur Umset­zung des Paris­er Abkom­mens beschlossen wer­den. Diese Prinzip­i­en geben in der Präam­bel den Rah­men für den inter­na­tionalen Kli­maschutz vor. Den­noch wur­den eben jene Prinzip­i­en an einem Tag der Kli­mazwis­chen­ver­hand­lun­gen in den Entschei­dung­s­tex­ten berück­sichtigt, am näch­sten Tag schon wieder nicht. Dabei sind die umfassenden Auswirkun­gen des Kli­mawan­dels und die nöti­gen Para­me­ter zum Kli­maschutz spätestens seit der Ein­führung der Sus­tain­able Devel­op­ment Goals in aller Munde. Deswe­gen haben sich Vertreter*innen der Zivilge­sellschaft bei den Ver­hand­lun­gen kon­tinuier­lich dafür einge­set­zt, dass diese Prinzip­i­en auch weit­er­hin berück­sichtigt werden.

Die Jugend macht’s

Als gutes Vor­bild, wie Entschei­dun­gen par­tizipa­tiv und erfol­gre­ich gestal­tet wer­den kön­nen, gel­ten die Ver­hand­lun­gen rund um ACE (kurz für Action for Cli­mate Empow­er­ment) – also rund um die The­men Bil­dung, öffentlich­es Bewusst­sein, Teil­habe und Train­ing in Bezug auf Kli­maschutz. Eine zen­trale Rolle spiel­ten dabei die Ergeb­nisse des ersten ACE Youth Forum, das am 28. April in Bonn mit über 100 jun­gen Teil­nehmenden aus 56 Län­dern durchge­führt wurde. Das Ergeb­nis war ein ganz­er Strauß von Ideen und Forderun­gen, wie die Par­tizipa­tion jün­ger­er Gen­er­a­tio­nen ver­stärkt wer­den kön­nte – in den Prozessen vor Ort, auf nationaler Ebene oder auch im Rah­men der Vere­in­ten Natio­nen. Als ein­er von zwei Anhän­gen wur­den die Forderun­gen des ACE Youth Forums berück­sichtigt und sind nun Teil ein­er Entschei­dung, die im Dezem­ber in Polen bei der COP24 nicht mehr ver­han­delt son­dern nur noch angenom­men wer­den soll.

Gender macht Fortschritte

Im ver­gan­genen Jahr wurde der Gen­der Action Plan (GAP) ver­ab­schiedet, um die Rolle von Frauen auf allen Ebe­nen durch Kapaz­ität­sauf­bau, Wis­sensaus­tausch und Kom­mu­nika­tion zu stärken und für die Rolle von Gen­der in Hin­blick auf Kli­mawan­del und Kli­maschutz­maß­nah­men zu sen­si­bil­isieren. Das The­ma Gen­der wurde in den Ver­hand­lun­gen immer wieder ange­sprochen und es gab einen Work­shop zum Wis­sensaus­tausch in diesem Bereich.

Gle­ichzeit­ig stell­ten Mit­glieder unser­er Del­e­ga­tion aber auch fest, dass sich bish­er nur wenige Län­der mit dem The­ma Gen­der ern­sthaft befassen. So haben bish­er erst acht Län­der eine nationale Anlauf­stelle für Gen­der-Angele­gen­heit­en im Zusam­men­hang mit Kli­maschutz. Mit Span­nung wer­den auch die Ergeb­nisse des Weltk­li­marats (IPCC) erwartet, der eine Arbeits­gruppe zum The­ma Gen­der gegrün­det hat. Im Mai näch­sten Jahres wird diese Gruppe dazu einen Bericht veröffentlichen.

Nur sehr wenige Län­der haben bish­er eine zen­trale Anlauf­stelle für Gen­der­fra­gen im Hin­blick auf Kli­maschutz. Diese wur­den bei ein­er Aktion dafür aus­geze­ich­net. Unser Del­e­ga­tion­s­mit­glied Char­lotte war dabei.

Ozeane — Wohin treibt es uns?

Das The­ma Meere und Ozeane war während den Zwis­chen­ver­hand­lun­gen wenig präsent. Generell wurde in Gesprächen mit ver­schiede­nen Akteuren deut­lich, dass die Ozeane wohl nicht nur auf den Zwis­chen­ver­hand­lun­gen kein großes The­ma waren, son­dern es auch auf der anste­hen­den Weltk­li­makon­ferenz, der COP24 in Katow­ice, nicht sein wer­den. Ergeb­nisse sollen stattdessen bei der darauf­fol­gen­den COP25 erre­icht wer­den, die im Win­ter 2019 stat­tfind­et. Allerd­ings wer­den bis dahin die Umset­zungsrichtlin­ien des Paris­er Abkom­mens bere­its abgeschlossen sein, sodass es schwierig wer­den wird, das The­ma Ozeane darin neu aufzunehmen.

Nicht-Regierung­sor­gan­i­sa­tio­nen rund um das “Glob­al Ocean Forum” trat­en mit einem Gesuch an das UN-Kli­masekre­tari­at her­an, während der Kli­mazwis­chen­ver­hand­lun­gen im Juni 2019 einen Work­shop durchzuführen. In diesem Work­shop sollen Möglichkeit­en, die Ozeane und andere Küsten- und Meeresökosys­teme zu erhal­ten und zu verbessern, disku­tiert wer­den. Außer­dem ist ein Aus­tausch bewährter Ver­fahren und Erfahrun­gen geplant, ins­beson­dere in Bezug auf die nationalen Klimaschutzziele.

In Hin­blick auf die COP25 wurde weit­er­hin ver­sucht, die auf der COP23 gegrün­dete Ini­tia­tive “Ocean Path­way Part­ner­ship (OPP)” voranzubrin­gen. Diese set­zt sich unter dem Vor­sitz von Schwe­den und Fid­schi dafür ein, das The­ma Ozeane in den UNFCCC Prozessen stärk­er voranzubrin­gen. Dazu gab es mehrere Tre­f­fen sowie einen Emp­fang für Unterstützer*innen und Interessierte.

Unser Del­e­ga­tion­s­mit­glied Anna hat zusam­men mit anderen jun­gen Men­schen Talanoa Run­den mit Taho­lo Kami, dem Spe­cial Advis­er zum The­ma OPP organisiert.

Interessenkonflikte – Was macht die Öl-Lobby auf den Klimaverhandlungen?

Auf diesen Zwis­chen­ver­hand­lun­gen haben sich viele Jugend­delegierte dafür einge­set­zt, dass über Inter­essenkon­flik­te gesprochen wird. Bei der immer größeren Zahl an Beobachter*innen auf den Kli­maver­hand­lun­gen sind auch Fir­men dabei, deren Prof­it­streben im Kon­flikt mit effek­tiv­er Kli­maschutzpoli­tik ste­ht. Momen­tan gibt es keine Reg­ulierung, ob Vertreter*innen solch­er Fir­men, zum Beispiel aus der Kohlein­dus­trie oder Fir­men, die Abholzung betreiben, Zugang zu den Ver­hand­lun­gen bekom­men soll­ten. In den entsprechen­den Ver­hand­lun­gen haben die Län­der sich grund­sät­zlich dafür aus­ge­sprochen, Beobachter*innen aus Nichtregierung­sor­gan­i­sa­tio­nen stärk­er zu den Kli­maver­hand­lun­gen zuzu­lassen. Der Inter­essenkon­flikt von eini­gen Vertreter*innen aus der Wirtschaft kam zwar zur Sprache, hat es allerd­ings nicht in das Abschluss­doku­ment geschafft.

Das Europa Par­la­ment stimmte Ende 2017 ab, den Zugang zu den Ver­hand­lun­gen von Organ­i­sa­tio­nen die Ambi­tio­nen min­dern kön­nte zu ver­ringern. Dazu schrieben auch einige Par­la­mentsmit­glieder einen Offe­nen Brief. Den­noch ver­trat die EU (die in den Ver­hand­lun­gen gemein­sam spricht) eine kon­träre Posi­tion in den let­zten zwei Wochen. Es wird ver­mutet, dass Miguel Arias Cañete (Euro­pean Com­mis­sion­er for Cli­mate Action and Ener­gy) sich über den Par­la­ments­beschluss hin­weg geset­zt hat. Wenn das stimmt, wäre es ein großer Ver­stoß gegen den demokratis­chen Auf­bau der EU.

Auch im größeren Zusam­men­hang wurde über die Beteili­gung von nicht-staatlichen Akteuren bei den Kli­maver­hand­lun­gen gesprochen. Die aller­meis­ten Län­der sprachen sich dafür aus, die Zivilge­sellschaft stärk­er einzubeziehen. Allerd­ings gab es auch einzelne Vertreter*innen, die sich über das Ver­hal­ten von Beobachtern auf den Ver­hand­lun­gen beschw­eren, zum Beispiel weil Beobachter*innen während der Ver­hand­lun­gen Fotos geschossen und getwit­tert hat­ten. Da wir als Jugendbeobachter*innen stark von diesem The­ma betrof­fen sind, wer­den wir die Diskus­sio­nen hierüber aufmerk­sam weiterverfolgen.

Anpassung

Das The­ma Anpas­sung war wie auch schon auf vorheri­gen Kon­feren­zen ein hoch­poli­tis­ches The­ma. Während Län­der des Glob­alen Südens her­vorheben, dass sie bere­its jet­zt unter den Fol­gen des Kli­mawan­dels lei­den und die Wichtigkeit von Anpas­sung deut­lich machen, wollen vor allem Indus­trien­atio­nen, dass der Fokus der Regeln und Prozesse bei der Min­derung von Treib­haus­gase­mis­sio­nen liegt. Dementsprechend schlep­pend ver­liefen die Ver­hand­lun­gen, wobei sich die Vertreterin­nen und Vertreter der Län­der unter anderem eine Woche lang damit beschäftigten, wie das Ergeb­nis­doku­ment let­z­tendlich gegliedert sein soll. Auch zum The­ma Anpas­sungs­fi­nanzierung hat sich wenig Neues ergeben.

Weitsicht: Planung bis 2023 — Globale Bestandsaufnahme

UN Prozesse sind lang­wierig. Das wird einem bei den Ver­hand­lun­gen schnell klar. Deshalb besprechen die Län­der auch schon heute die soge­nan­nte “Glob­ale Bestand­sauf­nahme” für 2023 (engl. Glob­al Stock­take). Dabei wer­den die Län­der prüfen wie weit sie in der Umset­zung des Paris­er Abkom­mens bere­its gekom­men sind. In den let­zten zwei Wochen wurde deshalb strikt am Text gear­beit­et und in der drit­ten Ver­sion kon­nten sich die meis­ten Län­der einiger­maßen wiederfind­en. Allerd­ings geht es jet­zt auch erst­mal darum, gemein­same Posi­tio­nen zu find­en und all­ge­mein Optio­nen aufzuzeigen. Viele Platzhal­ter bei den Fra­gen nach Input, Out­put und Out­come zeigen, dass noch ein langer Weg zu gehen ist. Die wichtig­ste Frage im Raum ist dabei: Wie kann der Glob­al Stock­take dazu führen, dass Län­der ihre Ambi­tio­nen erhöhen? Lösungsvorschläge dafür gibt es derzeit wenig.

Bonn – Bangkok – Katowice – Wie geht’s jetzt weiter?

Während der Ver­hand­lung wurde deut­lich: Alle Blicke sind auf Polen gerichtet. In diesem Dezem­ber wird sich dort zeigen, ob die Län­der das Paris­er Abkom­men wirk­lich ernst nehmen und umset­zen wer­den. Der Weg bis dahin ist noch weit. Noch sind sehr viele Entschei­dung­s­texte (sofern über­haupt schon über Texte gestrit­ten wird) bruch­stück­haft. Deshalb wurde eine zweite Runde von Zwis­chen­ver­hand­lun­gen noch in diesem Som­mer in Bangkok anber­aumt. Es bleibt zu hof­fen, dass dabei solide Regeln und Mech­a­nis­men entstehen.

Auch wenn die Stim­mung bei den Kli­mazwis­chen­ver­hand­lun­gen pos­i­tiv war, gibt es doch immer wieder einige kri­tis­che Stim­men, die anmah­nen, dass in Polen das nötige poli­tis­che Momen­tum fehlen wird.

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