von Sophie Dolinga und Laima Eicke
Auf der COP24 in Katowice haben wir zusammen mit der kanadischen Jugendorganisation Environment Jeunesse eine Veranstaltung unter dem Titel “Beyond economic growth — how to ensure a climate resilient future” organisiert. Gemeinsam mit drei Gastrednerinnen und 50 Teilnehmenden aus vielen verschiedenen Ländern konnten wir eineinhalb Stunden lang diskutieren ob Klimaschutz und Wirtschaftswachstum zusammenpassen.
Dabei wurde schnell deutlich, dass eine starre Ausrichtung auf Wachstum effektivem Klimaschutz oftmals entgegensteht. Die Idee einer Wirtschaft, die auf einem Wachstumsrückgang basiert, kann hingegen sehr gut mit ambitionierter Klimapolitik harmonieren. Diese Postwachstums-Perspektive eröffnet zudem zahlreiche neue und kreative Praktiken und Strategien, um das Klima zu schützen. Das nehmen wir zum Anlass um das Thema für euch hier noch einmal genauer zu beleuchten.
Wachstum und Klimaschutz
Eine wachsende Wirtschaft, gemessen durch die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP), wird häufig als Ziel angeführt, welches mit ambitioniertem Klimaschutz Hand in Hand gehen soll. Die Ausrichtung der Politik am Wirtschaftswachstum wird dabei nur selten hinterfragt. So enthalten beispielsweise alle Klimaszenarien des Weltklimarats (IPCC), Wirtschaftswachstum als Grundannahme. Eine Zukunft ohne wachsende Wirtschaften scheint somit undenkbar. Aber was ist nun das Problem?
In den letzten 100 Jahren sind mit dem starken Wirtschaftswachstum in vielen Teilen der Welt auch die Emissionen von Treibhausgasen extrem gestiegen. Das Wachstum der Wirtschaftsleistung geht mit der Herstellung von mehr Produkten und mehr Konsum einher, wodurch mehr natürliche Ressourcen benötigt und mehr Emissionen ausgestoßen werden. Ein Wirtschaftssystem, das auf stetigem Wachstum beruht, heizt jedoch nicht nur durch den höheren Ausstoß von Treibhausgasen den Klimawandel an, es ist auch nicht unbegrenzt fortsetzbar. Die Rechnung ist einfach: Rohstoffe, wie Erdöl, lassen unsere Autos fahren. Erze, wie Kupfer, werden für die Herstellung von elektronischen Geräten, zum Beispiel von Smartphones benötigt. Damit mehr Autos fahren und mehr Smartphones hergestellt werden können, braucht es mehr Ressourcen. Doch diese sind auf der Erde begrenzt. Unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten ist schlicht nicht möglich. Deshalb muss über Alternativen nachgedacht werden.
Ist grünes Wachstum eine Option?
Das sogenannte “Grüne Wachstum” soll Abhilfe schaffen. Als nachhaltiges Entwicklungsziel (SDG Nr. 8) verspricht es mehr Produkte, mehr Konsum, mehr Wohlstand, und das alles ohne die natürlichen Ressourcen zu belasten. Die Idee dahinter ist, dass das Wachstum vom Ressourcenverbrauch “abgekoppelt” werden kann. Dies soll geschehen, indem etwa Produkte entwickelt werden, die weniger Energie benötigen, oder bei denen Kreisläufe dafür sorgen, dass z.B. alle Ressourcen auch wieder verwendet werden. Somit soll die Wirtschaft wachsen können ohne der Umwelt und dem Klima zu schaden.
Doch zahlreiche Studien zeigen auf, dass dies so nicht funktioniert: Es ist zwar möglich, Prozesse effizienter zu gestalten und damit den relativen Verbrauch von Ressourcen (pro Einheit BIP) zu verringern. Der sogenannte Rebound-Effekt beschreibt jedoch, dass dennoch der Gesamtverbrauch steigt. So sind beispielsweise Autos heute viel effizienter, verbrauchen also weniger Treibstoff als noch vor ein paar Jahrzehnten. Dafür fahren aber auch immer mehr Menschen immer häufiger mit dem Auto. Auf diese Weise werden die gemachten Einsparungen, und somit der positive Effekt, einfach aufgehoben. Bislang steigt der Ressourcenverbrauch trotz Effizienzsteigerungen und neuer Technologien also dennoch immer weiter an.
Die Hoffnung auf “Grünes Wachstum”, unter dem Motto “einfach weiter wachsen wie zuvor, nur in ‘grün’”, ist somit keine Option, um das Ressourcen- und Klimaproblem in den Griff zu bekommen. Deshalb muss über andere, tiefgreifendere Veränderungen nachgedacht werden.
Wie wäre es denn mit Postwachstum?
In der Postwachstumsdebatte soll eben so ein Nachdenken möglich werden. Postwachstum definiert sich dabei nicht als bloße Forderung nach einem Rückgang des BIP, welches innerhalb des wachstumsorientierten Systems in Zeiten von Rezessionen für Krisen sorgt. Stattdessen geht es um eine umfassende Neuausrichtung und die Frage nach den Zielen unseres Zusammenlebens. Ist “Wohlstand” wirklich nur durch Wirtschaftswachstum zu erreichen? Brauchen wir immer mehr und immer neuere Produkte um glücklich zu sein, wenn wir sowieso schon alles haben?
In der Idee des Postwachstums wird auch anderen gesellschaftlichen Zielen Raum gegeben, die sich nicht in das BIP fassen lassen. Zentral ist beispielsweise gesellschaftliche Teilhabe für alle, sei es durch Bildung, Krankenversorgung, Zugang zu Kultur, Mobilität oder (auch digitale) Kommunikation. Die Wirtschaft wächst am meisten, wenn jeder ein Auto besitzt, private Schulen und Krankenhäuser Gewinne erwirtschaften und wir unsere Mobiltelefone am besten jedes Jahr austauschen. Doch sind ein gut ausgebautes Nahverkehrssystem, der Zugang zu kostenloser Bildung, der Schutz unseres natürlichen Lebensumfeldes und eine gute Krankenversorgung nicht Ziele, die wichtiger als wirtschaftliche Gewinne sind? Indem wir über Wirtschaftswachtum als oberstes Ziel unserer Gesellschaften hinausblicken, kann nicht nur das Klima profitieren, sondern alle Menschen.
Postwachstum und Klimagerechtigkeit
Dabei ist insbesondere vor dem Hintergrund der internationalen Klimapolitik zu beachten, dass Postwachstum nicht für alle Länder das Gleiche bedeuten muss. Staaten weltweit haben sich unterschiedlich entwickelt. Industriestaaten, die seit Jahrzehnten ressourcenintensive und emissionsreiche Wirtschaften ausgebildet haben, konnten durch das Wirtschaftswachstum etwa Armut und Hunger bekämpfen. Andere Staaten haben keine frühe Industrialisierung durchlebt und hoffen nun auf diese positiven Effekte. Diese stark unterschiedlichen Ausgangslagen müssen in der Postwachstumsdebatte berücksichtigt werden. Alternativen zum stetigen Wirtschaftswachstum sind jedoch nicht auf westliche Industriestaaten beschränkt. Ähnliche Ansätze werden in anderen Regionen ebenfalls diskutiert, wie beispielsweise das Konzept des Buen Vivir in Ecuador.
Nichtsdestotrotz ist es an der Zeit, dass vor allem die Staaten, die seit zu langer Zeit auf “Wirtschaftswachstum um jeden Preis” setzen, umdenken. Wirtschaftswachstum sollte nicht unangefochtenes Ziel der Politik bleiben. Sondern gesellschaftlich unverzichtbare Ziele, wie der Erhalt der Umwelt, müssen in den Fokus rücken. Dabei sollte eine Sache klar sein: Klimapolitik muss nicht wirtschaftlich rentabel sein, sie muss unser Klima schützen!
Sophie ist seit 2017 Mitglied der Klimadelegation. Sie interessiert sich vor allem für Themen rund um die Sensibilisierung von Menschen in Bezug auf den Klimaschutz und die sozial-ökologische Transformation.
Laima ist seit 2014 dabei. Sie konzentriert sich auf die interdisziplinäre Analyse von Klima- und Energiepolitik verschiedener Regionen und beschäftigt sich auch mit der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft.
Das Blog https://www.postwachstum.de ist wirklich lesenswert. Dort werden Details der Wachstumskritik und Suffizienz von vielen verschiedenen Autor/Innen ausführlich beschrieben und durchdacht.
Danke für den guten und interessanten Beitrag!
Sher gut für die bevorstehende Sozialwissenschaft Klausur
Postwachstum kann nur funktionieren, wenn es von der Mehrheit der Menschen mitgetragen wird. Diese Menschen müssten bereit sein, nicht auf die Versprechungen der Politiker auf mehr Wohlstand zu hereinzufallen. Typischerweise sind das die, die auch grüne Parteien wählen. Aber leider betrifft das nur max. 15 % der Gesamtbevölkerung, Tendenz schwach steigend.
Wachstum ist das Gesetz der globalen Wirtschaft, und ziemlich alle unserer Ökonomen, die ja auch die Regierungen beraten, sind felsenfest davon überzeugt. Wenn also 15% der Menschen weniger konsumieren, werden die restlichen 85% umso mehr konsumieren müssen.
Man kann aber das Gesetz der Marktwirtschaft außer Kraft setzen. Das geht, indem man entweder die Waren wegnimmt oder das Geld. Die Waren kann man nicht wegnehmen, wohl aber das Geld. Das Geld kann leicht abgeschafft werden durch ein weltweites Referendum zur Geldentwertung ohne Ersatzwährung. Es muss nur die Mehrheit der Menschen dafür stimmen.
Ein „Voucher“ wie Geld braucht man nur, wenn nicht ausreichend Waren zur Verfügung stehen. Wir leben aber schon im Überfluss und sind durch den Stand der Technik in der Lage, die gesamte Menschheit ausreichend mit Waren zu versorgen.
Wenn das Geld weg ist, werden wir uns schnell ändern. Heute ist unser Leben davon geprägt, für das zur Verfügung stehende Geld möglichst viel kaufen zu können. Deshalb kennen wir nicht mehr unsere wirklichen Bedürfnisse. Aber sobald wir uns nehmen können was wir brauchen, werden wir uns auch wirklich nur noch das nehmen, was wir wirklich brauchen und wir werden schnell feststellen, dass das gar nicht so viel ist.
Erst dann wird der Konsum wirklich zurückgehen, weniger Ressourcen werden verschwendet und die Erde wird sich wieder erholen können.
Weitere Informationen: softsystemreset.earth
WACHSTUMSWAHN
Man produziert und produziert,
Nutzt die Ressourcen ungeniert.
Gewinnmaximierung ist Pflicht,
Die intakte Natur zählt nicht.
Börsenkurse steh’n im Fokus,
Umweltschutz in den Lokus.
Nur unser ständiges Kaufen
Hält dieses System am Laufen;
Unendliche Konsumfreiheit,
Keine Spur von Enthaltsamkeit.
Unser westlicher Lebensstil,
Ein fragwürdiges Menschheitsziel.
Die Jagd nach ewigem Wachstum
Bringt letztlich den Planeten um.
Das oberste Gebot der Zeit
Muss heißen Nachhaltigkeit.
Statt nur nach Profit zu streben,
Im Einklang mit der Natur leben.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen