Vielen Menschen gehen die ausschließlich politischen Wege für Klimaschutz nicht weit und vor allem auch nicht schnell genug. Deswegen hört man seit einiger Zeit immer öfter von Gerichtsfällen, bei denen die Versäumnisse bei der Verminderung des Klimawandels und seine Folgen im Mittelpunkt stehen.
Beispiele dafür sind:
- People vs. Arctic Oil – bei dem die norwegische Regierung von Umweltorganisationen verklagt wird
- Our Children’s Trust vs. US-Regierung –die amerikanische Regierung wird von Kindern verklagt zum Schutz der kommenden Generationen aktiven Klimaschutz zu betreiben
- URGENDA vs. Niederlanden – die Bürgerbewegung Urgenda verklagte die niederländische Regierung zu stärkerem Klimaschutz und gewannen 2015
- KlimaSeniorinnen vs. Schweiz – die Gruppe Schweizer Seniorinnen verklagt die Schweiz darauf mit stärkerem Klimaschutz die Lebensgrundlage ihrer Enkel zu bewahren
- Kinder vs. Die europäischen Regierungen – dabei wollen Kinder aus Portugal zusammen mit Global Legal Action Network vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen alle europäischen Länder mit einem großen CO2-Ausstoß klagen
Verantwortung durchsetzen in 4 Schritten
Es gibt einige Gründe, warum die Möglichkeit für besseren Klimaschutz vor Gericht zu ziehen immer häufiger genutzt wird.
- Zum einen werden der Klimawandel und seine Folgen immer konkreter. Wir alle wissen, wie schwer es ist die Menschheit zum Handeln zu animieren, wenn die Bedrohung noch so unglaublich abstrakt und sehr weit weg scheint – und vor allem wenn die Prävention unser heutiges Leben schon beschränkt. Das hat psychologische Gründe. Immer mehr Menschen erfahren aber genau jetzt schon Verlust und Schaden durch den Klimawandel: Inseln im Pazifik gehen unter, weil der Meeresspiegel steigt, häufigere und stärkere Hurricanes ziehen über die USA, immer zahlreicher brechen Waldbrände in Portugal und Griechenland aus, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Der Klimawandel ist in unserer Realität angekommen.
- Die Auswirkungen und Zusammenhänge des Klimawandels können wissenschaftlich immer besser nachvollzogen werden. Bisher konnten Gerichte dazu keine Entscheidungen treffen, da die Verbindung von Verursacher und Folge nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Die Beweislage wird aber immer besser! Einerseits kann immer klarer dargestellt werden, welches Unternehmen wie viel Anteil am Emissionsausstoß hat. Und anderseits wird immer klarer, dass die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse wie Dürren und Stürme durch den Klimawandel stark gestiegen ist.
- Außerdem ist es aufgrund dieses besseren Wissenstands nicht mehr ohne weiteres möglich, dass Verursacher die Risiken und Folgen ignorieren dürfen und sich unter Berufung auf Unkenntnis oder Unklarheit aus der Verantwortung ziehen können. Es konnte aufgedeckt werden, dass manche der Verursacher von den Risiken wussten, die mit einem unkontrollierten CO2-Ausstoß einhergehen – diese Wahrheit aber verschwiegen oder sogar leugneten (#exxonknew)! Da sie wider besseren Wissens handelten können sie jetzt auch zur Verantwortung gezogen werden.
- Und zuletzt führt das fehlende politische Handeln dazu, dass gesellschaftliche Diskurse vor Gericht geklärt werden müssen. Die Umwelt- und Klimaschutzgesetze müssen oft hinter wirtschaftlichen Zielen zurückstehen. Diese Situation schwächt den Kampf gegen den Klimawandel. Deshalb sehen sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen, wie z.B. Kinder oder Umweltschützer, gezwungen die Verursacher selbst zur Verantwortung zu ziehen. In manchen Fällen wird aber auch der Staat verklagt, um sein politisches Eingreifen für den Schutz der Bevölkerung vor dem Klimawandel einzufordern. Wo ein politisches Vakuum entsteht müssen die Gerichte den Weg weisen und können so den Klimaschutz zur Priorität machen.
Ein Andenbauer gegen RWE
Einen kleinen Erfolg gab es gerade im Fall „Huaraz vs. RWE“. Der Andenbauer Saúl verklagt zusammen mit Germanwatch den Energiekonzern RWE. Die Stadt Huaraz in den Anden ist von einem überlaufenden Gletschersee bedroht. Zum Schutz müssen sie sich einen großen Damm bauen und da RWE nachweislich zu 0,5% am Klimawandel Schuld ist, soll der Konzern 0,5% der Baukosten übernehmen. In erster Instanz wurde der Fall abgewiesen, aber nach Einspruch hat die nächsthöhere Instanz angekündigt die Klage wohl zuzulassen und eine Beweisaufnahme zu beginnen. Das würde bedeuten, dass die Anklage ernst genommen wird und die Beweise nun zeigen sollen, ob RWE tatsächlich einen Teil der Bedrohung verschuldet hat. Sollte Saúl Recht gegeben werden, wäre das ein Präzedenzfall der die Rechtsprechung zum Klimawandel nicht nur in Deutschland prägen würde, sondern auch endlich einen Wandel hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Verantwortung erzielen könnte.