von Pia Jorks
Bei Model United Nations geht es darum, die Arbeit der Vereinten Nationen nachzustellen. Das National Model United Nations in New York ist die größte Konferenz dieser Art und lädt jedes Jahr ca. 5000 Studierende aus aller Welt , um für eine Woche in die Rolle von UN Delegierten zu schlüpfen. NMUN entstand bereits in den 1920ern und wurde 1946 nach der offiziellen Gründung der Vereinten Nationen erneut ins Leben gerufen. In diesem Jahr hatte ich die einzigartige Chance, Teil dieses Abenteuers zu sein.
Das Besondere an solch einer Simulation ist, dass man nicht, wie vielleicht vermutet, sein Heimatland vertritt. Ich vertrat zum Beispiel den karibischen Inselstaat Barbados. Es gibt eine Vielzahl von Komitees, die sich mit verschiedensten Themen beschäftigen. Eines davon ist die UN Environment Assembly. Für Inselstaaten wie Barbados ist das Thema Umwelt und Klima ein besonderer Brennpunkt, weshalb ich mich sehr auf die Aufgabe freute, den Staat in diesem Rahmen vertreten zu dürfen.

Auf Barbados geht’s nicht nur um Sonne und Strand
Im Vorfeld der eigentlichen Konferenz, bekam ich die Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen der deutschen und auch der barbadischen Politik bei den Vereinten Nationen zu werfen. Während in der Ständigen Vertretung Deutschlands die Vorreiterrolle des Landes betont und versucht wurde, Optimismus angesichts der negativen Entwicklungen der USA zu streuen, verlautete in der Repräsentation des Inselstaates ein ganz anderer Ton. Meeresspiegelanstieg, Verschmutzung der Ozeane, Artensterben – Barbados, so wie alle Inselstaaten und Küstenstaaten, ist unmittelbar den Folgen der Naturveränderungen ausgeliefert und bangt um sein mittelfristiges Überleben. Dabei fehlen Kleinstaaten wie Barbados im Gegensatz zu den meist weniger gefährdeten Wirtschaftsmächten und Binnenstaaten aber die Ressourcen um eigenständig nachhaltige und ausreichende Maßnahmen zu ergreifen und um sich auf internationalem Parkett genügend Gehör zu verschaffen. So war die Antwort auf die meisten Fragen stets die gleiche: Barbados unterstützt die von der UN vorgeschlagenen bzw. empfohlenen Unternehmungen ideell und politisch, aber praktisch fehlen meist die Mittel. Genau das stellte auch eine der größten Herausforderung in der Repräsentation eines solchen Landes dar.
Für die diesjährige Konferenz wurde eine Agenda von drei Themen gesetzt: Verschmutzung des ozeanischen Lebensraums, Stärkung der Jugend für Nachhaltige Entwicklung und Schutz und Erweiterung von Ökosystemen angesichts der Urbanisierung. Da uns insgesamt nur knapp vier aktive Sitzungstage verblieben, schafften wir leider lediglich eines der drei Themen, „Youth Empowerment for Sustainable Development“. Als Mitglied der Klimadelegation war es natürlich sehr interessant zu erfahren, was Staaten bereits für Programme zur Erreichung dieses Ziel besitzen und welche Maßnahmen und Projekte in Zukunft tatsächlich auf internationaler Bühne in Angriff genommen werden könnten.

Immer wieder heißt es: Wir wollen und müssen, aber es geht nicht
Auf die Frage ob das in einigen Staaten bereits etablierte Jugenddelegierten-Programm unter Umständen für Barbados realisierbar wäre kam leider wieder die ernüchternde Antwort: Die Ressourcen fehlen. Wir erfuhren jedoch später, dass es sehr wohl regional, für karibische Inselstaaten (CARICOM Staaten) ein solches Youth Ambassador Programm bereits seit 1993 gibt. Vielleicht ist eine Spezifizierung in Sachen Klima und Nachhaltigkeit also gar nicht so undenkbar. Kritisch zu sehen ist die Frage der Ressourcen immer, denn obwohl es unumstritten stimmt, dass Insel- und Kleinstaaten, sowie allgemein weniger entwickelte Länder über begrenzte Mittel verfügen, ist es auch immer eine Frage der Prioritätensetzung.
Auffällig während meiner Zeit als Barbardische Abgeordnete war, dass der bereits erwähnte regionale Handlungsrahmen fast in jeden Zusammenhang besteht. Er spiegelt sich außerdem in den Institutionen und Posten wider, zum Beispiel gibt es für die gesamte Karibik ein einziges UNDP Office und einen einzigen Koordinator. Prinzipiell hat bei den Vereinten Nationen jedes Land eine Stimme, die sich vom Gewicht her nicht unterscheidet. Jedoch ist es als Supermacht sehr viel einfacher, Mehrheiten zu bilden, Angebote zu machen und zu verhandeln. Kleinere und weniger wohlhabende Staaten müssen auf anderen Wegen versuchen, ihre Forderungen effektiv einzubringen. Meist handelt man als regionaler Verbund, im Kollektiv der Insel- und Küstenstaaten oder in der Ländergruppe von 77 Ländern + China. Um sich gegenüber des auf Technologie, Globalisierung und Urbanisierung ausgerichteten Denkens der meisten Großmächte und Binnenstaaten zu behaupten, verbündeten wir uns in der Konferenz also zunächst mit einer Gruppe von Inselstaaten wie Fiji, um die für uns am bedeutendsten Forderungen und Anliegen aufzulisten. Hatten wir diesen grundlegenden Konsens einmal gefunden, konnten wir mit einer konkreten Strategie an größere Staaten wie Brasilien herantreten und um Unterstützung bzw. Kooperation bei der Formulierung einer gemeinsamen Resolution bitten.
Interessant zu beobachten war, dass die finanzielle, ideelle und materielle Unterstützung der Entwicklungsländer einmal mehr eine bedeutende Rolle in den Diskussionen einnahm. Während in unserer Resolution vieles sehr präzise auf die Bedürfnisse von Insel‑, Küsten- und Least Developed Countries ausgerichtet war, wurde dieses Thema in anderen Ländergruppen nur als Randnotiz behandelt. Überträgt man dies auf die andauernden Probleme mit dem Thema Loss & Damage und dessen Finanzierung, scheint die Simulation zumindest in Teilen die Wirklichkeit erfasst zu haben.

Was ich von der NMUN mitgenommen habe
Positive Dinge auf die ich zurückblicke? Das ist vor allem die Erkenntnis, dass die Ideen, Vorschläge, Empfehlungen, die wir als ausformuliert haben, nicht einfach abstrakte Gedanken, sondern wirkliche Problemlösungsansätze sind, die derart vielleicht irgendwann in Zukunft tatsächlich umgesetzt werden könnten – auch wenn es diesmal natürlich nur eine Simulation war. Weiterhin hatte ich den Eindruck, dass tatsächlich positive Veränderung entstehen, sobald sich Staaten zusammentun und auf einer gemeinsamen Wertebasis und Common Ground zusammenarbeiten
Ich habe in der Vorbereitung auf NMUN und während der Konferenz extrem viel dazu gelernt und ein sehr viel tieferes Verständnis für die besprochenen Themenfelder, die besondere Position von Insel- und Küstenstaaten im Kampf gegen den Klimawandel und die Privilegien, die wir als Bewohner eines Industrielandes genießen, entwickelt. Ich hoffe, mein Wissen nun weitergeben und in wahrhafte Veränderung umwandeln zu können.
Wenn ihr euch auch für die NMUN Konferenz interessiert, findet ihr hier weitere Informationen dazu. Auf unserem Instagram ist außerdem die Story von Pias ersten Tag bei der UNEA gespeichert. Schaut doch mal rein!