Jedes Jahr fasten weltweit Millionen Menschen. Ob Alkohol, Fleisch oder Süßigkeiten – jeder verzichtet ganz individuell auf seine größten Laster. In den letzten Jahren hat sich außerdem das sogenannte Klimafasten entwickelt. Dabei versucht man 40 Tage lang, seinen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Wer klimafastet, ernährt sich zum Beispiel vegan oder vegetarisch, vermeidet Plastik oder lässt das Auto in der Garage stehen. Auch in der Klimadelegation haben sich dieses Jahr viele fürs Klimafasten entschieden. Anna Bäuerle hat mit uns darüber gesprochen.
Anna, du klimafastest in diesem Jahr zum ersten Mal – warum?
Ich wollte mir bewusst werden, wie nachhaltig oder eben nicht nachhaltig ich konsumiere. Gerade wenn es im Alltag mal stressig ist, neigt man zu bequemem Handeln. Dann kauft man vielleicht auch eher mal Tiefkühl-Gemüse im Supermarkt statt Gemüse vom Markt – weil man dadurch nicht groß planen muss, was man kocht oder wann man zum Markt geht, und weil das Kochen dann einfach auch schnell geht. Das will ich ändern. Ich möchte bewusster und nachhaltiger konsumieren, auch in stressigen Alltagssituationen.
Worauf verzichtest du beim Klimafasten?
Ich verzichte weitgehend auf verpackte Lebensmittel, vor allem auf Plastik-Verpackungen. Zudem habe ich mir vorgenommen nur regionale und saisonale Lebensmittel zu konsumieren und, wenn immer es geht, ÖPNV und Fahrrad zu fahren um auch meine Fortbewegung möglichst klimafreundlich zu gestalten.
Welche Schwierigkeiten ergeben sich dabei, die du vielleicht auch gar nicht erwartet hast?
Da gab es doch einige… Es ist gar nicht so einfach, Lebensmittel unverpackt zu kaufen. Bei Gemüse und Obst geht es noch leicht, da kann man regional und saisonal kaufen – in Ulm zum Beispiel am Samstag oder Mittwoch auf dem Markt. Aber was „trockene“ Lebensmittel angeht, gestaltet sich das mitunter wirklich schwierig. Linsen, Nudeln, Reis, Hirse, Haferflocken, Gries… all das bekommt man fast nur abgepackt, und das meist auch noch in Plastik. Ich habe erst einmal gesucht, ob und wo man in Ulm und Umgebung solche Lebensmittel unverpackt kaufen kann – leider mit wenig Erfolg. Nur in einem kleinen Biosupermarkt in der Ulmer Innenstadt, der Kornmühle, gibt es Nudeln und Studentenfutter unverpackt.
Ich frage mich schon, warum es in Ulm, einer Stadt mit über 120.000 Einwohnern, noch keinen verpackungsfreien Supermarkt gibt – eine Art „Unverpackt Supermarkt“, der eben ohne Einwegverpackungen auskommt. Solche verpackungsfreien Supermärkte bieten dann alle Waren „offen“ oder in wiederverwendbaren (Pfand-)Behältern an. Die benötigte Menge kann man sich als Kunde dann selbst abfüllen und kaufen. Das erfordert zwar etwas Planung und Umstellungsaufwand, aber auch nur zu Beginn. Ich hab das schon einmal gemacht, als ich in Rotterdam gelebt habe. Da habe ich direkt gegenüber von einem Supermarkt gewohnt, der eine große Produktauswahl verpackungsfrei angeboten hat… Jedenfalls finde ich es schade, dass hier in Ulm keiner der vorhandenen kleinen Biosupermärkte eine größere Auswahl an „loser Ware“ verkauft, seien es Lebensmittel oder Haushaltswaren wie Seife oder Waschmittel. Und ich verstehe auch nicht, warum nicht Biosupermarktketten wie „Alnatura“ oder „Denn’s“ hier die Initiative ergreifen, und zumindest eine Auswahl an Produkten unverpackt anbietet.
Gelöst habe ich das Problem der verpackten Trockenlebensmittel schließlich indem ich viele der normalerweise in Plastik verpackten Lebensmittel ersetzt habe: Vor allem durch Backwaren, Kartoffeln, oder auch mal selbstgemachte Spätzle, und durch in Papier eingepackte Lebensmittel, wie Haferflocken, Gries oder Dinkelflocken — alles von einer Getreidemühle hier in der Region.
In welchen Bereichen warst du noch mit größeren oder schwierigeren Umstellungen konfrontiert?
Neben den Lebensmitteleinkäufen war für mich vor allem schwierig, bei Auswärtsterminen während der Arbeit das Autos zurückzulassen und den ÖPNV nutzen. Gerade an Messetagen sind an einem Tag häufig mehrere Termine ohne großes Zeitfenster dazwischen. Manchmal muss man auch einfach zu Orten, die mit dem ÖPNV nicht so einfach und schnell zu erreichen sind, dass solch kleine Zeitfenster eingehalten werden könnte. Es ärgert mich, dass ich dann doch mit dem Auto fahren muss, aber ich sehe derzeit leider keine andere Möglichkeit. Zum Glück sind solche Tage aber eher eine Seltenheit und ich habe im Jahr nur 10 bis 14 davon.
Was meine Freizeitaktivitäten anbelangt, muss ich auch noch schauen, wie ich hier nachhaltiger handeln kann. Ich bin gerne in den Bergen, gehe wandern und fahre im Winter Ski. Leider ist vor allem Skifahren wirklich kein nachhaltiger Sport: Vorbereitung der Pisten, Abholzung von Bäumen, Wasserverbrauch für Beschneiung, Errichtung von Parkplätzen, Restaurants, Liftanlagen (und deren immenser Stromverbrauch), sowie die dazugehörigen Emissionen und Luftverschmutzung durch Fahrzeuge zur Anreise ins Skigebiet – alles Punkte, die dazu führen, dass Skifahren einer der umweltschädlichsten Sportarten überhaupt ist. In der nächsten Saison und in Zukunft will ich deshalb weniger „normal alpin Skifahren“ – also mit dem Lift hoch, und einfach wieder runterfahren – sondern möchte Langlaufen lernen, mehr Schneeschuhwandern und Skitouren machen.
Was fällt dir leichter als gedacht?
Schwierige Frage. Generell fällt es mir leichter als gedacht, meine Gewohnheiten umzustellen. Bestimmt auch, weil ich mit Freunden und Bekannten während dem Klimafasten immer wieder darüber gesprochen habe. Ein konkretes Beispiel habe ich aber leider nicht.
Würdest du Klimafasten weiterempfehlen? Was nimmst du daraus für dich persönlich mit?
Ich würde Klimafasten definitiv weiterempfehlen – nicht nur während der eigentlichen Fastenzeit. Es tut gut, sich bewusst zu werden, was und wie viel man konsumiert, und wie nachhaltig man sich im Alltag verhält. Das Zeitfenster der Fastenzeit ist dafür ideal, gerade auch weil man Zeit hat sich neue Gewohnheiten anzutrainieren und alte abzulegen. Mit dem Klimafasten ist es ja eigentlich auch so wie mit allen Gewohnheitsumstellungen: wenn man von einem Tag auf den anderen sein Verhalten umstellt, fühlt es sich wie harter Verzicht oder große Veränderungen an. Wenn man aber schrittweise jeden Tag und/oder jede Woche eine kleine Veränderung vornimmt, zum Beispiel auf ein plastikverpacktes Lebensmittel verzichtet und dieses durch ein nicht-verpacktes ersetzt, wird daraus eine Normalität, die gar nicht mehr auffällt.
Bist du nächstes Jahr wieder dabei?
Klaro! Ich hoffe allerdings, dass ich bis dahin meinen nachhaltigeren Konsumentscheidungen treu geblieben bin, und vielleicht noch weitere bis dahin dazugekommen sind. Wahrscheinlich mache ich aber dann mit anderen Vorsätzen, Verzichten oder Taten trotzdem wieder während der Fastenzeit mit.
Vielen Dank für das Interview!
Wenn ihr, lieber Leser*innen, mehr zum Thema Klimafasten lesen möchtet, empfehlen wir euch diese Tipps zum Plastikfasten und diese Übersicht verpackungsfreier und verpackungsreduzierter Supermärkte.