Hier ist er: Der Survival-Guide für die UN-Klimakonferenz!
von Pia Jorks
Durch meine Beteiligung an der Organisation der Jugendklimakonferenz COY13 erhielt ich die Chance, mit der Klimadelegation des Jugendbündnis Zukunftsenergie (JBZE) zur UN Klimakonferenz COP23 in Bonn zu fahren. Es blieb nicht viel Zeit für Vorbereitungen, also Anlauf nehmen und Hopp ins kalte Wasser. Am frühen Montagmorgen des 6. November 2017 ging es los.
Erstes Treffen: 8.00 Uhr am Deutschen Pavillon

Mit Bonn fand das erste Mal eine COP nach dem Zwei-Zonen-Modell statt. In der sogenannten Bonn Zone hielten sich Aktivisten, sowie staatliche und nichtstaatliche Akteure auf und hier fanden zahlreiche Events statt. Die meisten Besucher verbrachten die COP, wie auch ich, hier, da die Akkreditierungen für die Bula Zone, der Verhandlungs-Zone mit den Plenarsälen, begrenzt waren. Dafür standen in der Bonn Zone die meisten Länderpavillons – so auch der deutsche.
Nachdem ich die Hochsicherheitskontrolle bestanden hatte, bahnte ich mir den Weg durch die noch leeren Stände. Wie ich später erfuhr, befand ich mich auf staatenlosen Gebiet. Ich war die Erste, die am Pavillon der Deutschen Regierung ankam. Das gab mir die Zeit, eine Tasse Kaffee zu besorgen – ein für die nächsten zwei Wochen essentielles Lebenselixier. Nach Hören-Sagen und eigener Analyse gab es im Deutschen Pavillon übrigens den besten Kaffee der Bonn Zone, nicht zuletzt weil er umsonst war! Das mit dem Kaffee war ein gewitztes Marketing-Konzept des Deutschen Pavillons und wurde von Erfolg gekrönt: Nach einigen Tagen betrug die Wartezeit für eine Tasse braunen Glücks etwa 20 Minuten.
Langsam trafen alle aus unserem Team zum ersten Delegations- und Arbeitsgruppentreffen ein. Nach kurzen Informationen zur Einführung, rief allerdings schon das „Youngo Spokes Council“, kurz Spokes genannt. Das war der Ort an dem sich jeden Morgen zwischen 9.00 und 10.00 Uhr alle Jugendorganisationen auf der Konferenz tummelten, um sich über täglich anstehende Diskussionspunkte, Aktionen und weitere wichtige Termine auszutauschen.
Meetings, meetings, meetings!
Ich hatte zuvor noch nie an einem Youngo Meeting teilgenommen, jedoch im Zusammenhang der COY13 schon oft von diesem mysteriösen Zusammenschluss von Jugendgruppen für die Vertretung bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) gehört. Ich war beeindruckt von den eingespielten, gut durchorganisierten Abläufen und von dem von allen Anwesenden transportierten Gefühl der Allwissenheit. Wie sich herausstellte, handelten zu meiner Beruhigung viele Neuankömmlinge wie ich nach dem Motto: „Fake it till you make it!“

Handzeichen, Email-Gruppen, Google Drive Ordner, Arbeitsgruppen, Abkürzungen… das bestimmt den Morgen junger Leute auf der COP. Nach dem Spokes versammelten sich die Youngo Arbeitsgruppen. Es gibt davon zahlreiche: Adaptation, Mitigation, Human Rights, Actions, Gender, Ocean, Action for Climate Empowerment, kurz ACE, und viele mehr. Im vorbereitenden Workshop, an dem ich am Sonntag noch spontan teilgenommen hatte, wurde uns geraten, uns auf ein Themengebiet zu fokussieren – gerade, wenn es unsere erste COP sei. Ich wurde daher Teil der Mitigation Working Group. Mitigation heißt übersetzt Schadenbegrenzung und dabei beschäftigt man sich mit Maßnahmen zur aktiven Minderung von Treibhausgasemissionen. Das lag nahe, da auch die JBZE Klimadelegation eine unabhängige Arbeitsgruppe zum „Rulebook“, bestehend aus ca. 10 Leuten gegründet hatte. Das Rulebook, oder diplomatisch korrekt „Implementation Guidelines to the Paris Agreement“ genannt, ist dazu bestimmt, die Umsetzung der 2015 beschlossenen Klimaziele von Paris wirkungsvoll umzusetzen.
Klimapolitik gemacht von DIR!
Durch das bestehende Interesse unter JBZE-Delegierten war die Youngo Mitigation Gruppe entsprechend groß. Die Größe der Gruppe erschwerte es jedoch auch, eine klare und effiziente Arbeits- und Kommunikationsweise zu entwickeln. Trotzdem schafften wir es, grundsätzliche Leitlinien aufzustellen. Diese wurden durch die überraschende Nachricht aus dem UNFCCC Sekretariat, dass ein Policy Paper bereits bis Ende des nächsten Tages fertiggestellt sein musste, auf die Probe gestellt. Und obwohl sich die Mitigation Working Group im Gegensatz zu vielen anderen erst am ersten Tag der COP konstituierte, konnten wir die Deadline einhalten. Bis zum Ende der Woche konnten wir an unseren Inhalten weiterarbeiten und unsere Forderungen in einer offiziellen Pressekonferenz sogar vorstellen.
Unsere Hauptanliegen umfassten:
- Transparenz in der Berichterstattung über die Nationalen Klimaschutzmaßnahmen
- Information und Beteiligung von nicht-staatlichen Akteuren, Zivilgesellschaft und besonders der Jugend
- ein Umdenken von Wirtschaftswachstum hin zu nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung
- die Implementierung des Talanoa Dialogs als zukünftiges Diskussions- und Bewertungs-Format für die Erreichung des 2 Grad Ziels

Kurze Erklärung: Der Beschluss über den Talanoa Dialog war eines der Kernelemente der COP23 unter fidschianischer Präsidentschaft. Talanoa ist eine von Fidschi stammende Gesprächsform, die vor allem das konstruktive Vorankommen für ein gemeinsames Ziel in den Fokus rückt. Sie folgt den Prinzipien der Inklusivität, Transparenz und Empathie. Erfahrungen und Kenntnisse werden miteinander geteilt, ohne Schuldzuweisungen anzustellen. Im Rahmen des 2018 beginnenden “Facilitative Dialogue”, übersetzt “förderlichen Dialogs”, zur Erreichung der Pariser Klimaziele, soll dieses Prinzip den gegenseitigen Respekt und Vertrauen zwischen den Parteien stärken.
Das sind das alles komplexe Sachverhalte, die auch mir erst mit der Zeit vertrauter wurden, daher an dieser Stelle noch ein kurzer Tipp für alle, die inhaltlich nach einem roten Faden suchen: Der “Daily Track” von der NGO Climate Tracker ist für euch ein MUSS! Jeden Tag werden hier die aktuellen Geschehnisse sowie der Verhandlungsstand zusammengefasst und erklärt. Fragen sind hier gern gesehen; wenn ihr bei all den Abkürzungen, Fachbegriffen und Komitees nur Bahnhof versteht, markiert euch also dieses Side-Event rot im Kalender – es ist euer “place to be”.
Immer noch verloren? Mach das Beste daraus!
Nach den vielen Meetings und einiger inhaltlicher Arbeit war ich zunächst etwas verloren. Das gab mir jedoch auch die Chance, mich endlich umzusehen, all die Informationsstände und Länder-Pavillons zu erkunden und mit neuen Leuten in Kontakt zu kommen.

Manchmal kann es vorkommen, dass alle Mitglieder eurer Delegation wie vom Erdboden verschluckt sind. So ging es mir am ersten Tag. Dann weiß man nicht so recht: “Was jetzt?”. Hier ein paar Vorschläge, falls ihr euch auch einmal in der Situation befindet:
- Fordere dich heraus und rede mit mindestens fünf fremden Menschen! Du wirst dich wundern, was für neue Perspektiven und Türen sich dir öffnen werden.
- Schreibe auf, was du gelernt, erfahren und erlebt hast. Zum Einen hilft das, deine Gedanken und Eindrücke zu sortieren. Zum Anderen kannst du daraus vielleicht einen Artikel stricken und diesen sogar veröffentlichen.
- Lass dein Umfeld wissen, was du tust. Snapchat, Instagram, Facebook, Twitter – du kannst nicht nur deine Freunde und Verwandten auf dem neuesten Stand halten, sondern dich darüber hinaus aktiv an der Verbreitung von Klimathemen, sowie an aktuellen Diskussionen im World Wide Web beteiligen. If you didn’t snap it, did it even happen?
- Schreib der Presse! Eine junge Person aus deiner Region auf der Weltklimakonferenz? So manche Zeitungs- und Radioredaktion würde darüber sicher gerne berichten. Also ran an die Tasten und greif zum Telefon. Mach dich selbst zur Schlagzeile!
- Plane Aktionen. Du bist auf der Konferenz um etwas zu bewegen, also werde kreativ. Youngo hat eine Action Working Group. Wenn du ein Thema hast, das dir besonders am Herzen liegt und dem du Gehör verschaffen möchtest, dann suche dir ein paar Gleichgesinnte und los geht’s!
- Nimm so viel Wissen auf wie nur möglich! Nur selten wirst du so leicht Zugang zu so vielen Informationen aus erster Hand zu den Themen Klima und Umwelt bekommen, wie auf einer COP. Jeden Tag finden unzählige Veranstaltungen statt, also mache dir einen Überblick, triff eine Auswahl und lass dir von Experten die Welt der Klimapolitik erklären. Nach ein paar Side-Events schöpfsts du ja vielleicht sogar den Mut, eine Frage an das Podium zu richten.
Es gibt allerhand Möglichkeiten mit denen du deine Zeit auf der COP sinnvoll ausgestalten kannst. Mir wurde jedenfalls nie langweilig!

Life Hacks!
Zwischen all diesen neuen und aufregenden Möglichkeiten ist sehr leicht, das eigene Wohlbefinden zu vernachlässigen – ganz nach dem Motto: Essen, trinken und schlafen? Kann man ja auch noch nach der COP.

Klar, es ist eine einmalige Chance auf so einer Konferenz zu sein. Man möchte jede Sekunde ausnutzen. Aber genau deshalb gilt es, seine Energie so gut es geht zu verwalten. Am ersten Tag aß ich in der Cafeteria. Dort gibt es eine breite Auswahl, allerdings ist das Essen dort für junge Menschen auf Dauer kaum bezahlbar. Gut, dass es rund um die Uhr Side-Events und damit verbunden reichlich gratis Snacks gibt. Schonend für den Geldbeutel und gut für den Magen. Für euren Zuckerhaushalt lohnt es sich außerdem, früher aufzustehen: Jeden Morgen verteilt die Jugendorganisation “Plant for the Planet” Schokolade. An einem Tag wurden mir bestimmt fünf Tafeln aufgedrängt. Und solltest du doch kurz vorm Verhungern sein und es ist absolut kein Buffet in Sicht, wirf einen Blick in die „Free Food at COP“ Facebook-Gruppe. Dort wirst du immer sofort erfahren, wo du deinen Hunger stillen kannst. Besonders habe ich mich darüber gefreut, dass jeder Teilnehmer der Konferenz eine wiederverwendbare Wasserflasche erhielt. Diese konnte man an den überall verteilten Wasserspendern auffüllen – ein echter Segen für meine Hydration.
Wer nicht nur auf Kaffee setzen, sondern auch mal entspannen möchte, kann einen Ruhe- bzw. Meditationsraum nutzen. Ich war selbst nicht dort, habe aber von anderen davon gehört. Mir reichte die entspannte Atmosphäre am diesjährigen Talanoa Space und die dort vorhandenen Sitzsäcke – einmal niedergelassen, war es allerdings auch schwer, sich wieder auf den Weg zu machen.
Freue dich auf alles was noch kommt!
Ein besonderes Highlight war für mich das Side-Event über den Deutsch-Fidschianischen-Austausch, der im vergangenen Oktober stattfand. Viele Mitglieder der Klimadelegation und einige weitere nahmen an diesem Austausch teil und berichteten auf der UN-Klimakonferenz von ihren Eindrücken. Mit einer Panel-Diskussion, einem Kurzfilm und einer offenen Gesprächsrunden zu einzelne Themengebieten wurde ein vielfältiges Programm geboten. Dieses Event war der krönende Abschluss meines ersten Tages auf der COP23. Und es lagen noch 11 Tage vor mir…
Nie hätte ich mir an diesem ersten Tag erträumen lassen, was alles auf mich zu kommt und an was für tollen Sachen ich mitarbeiten und teilnehmen würde. Ich war als Referentin in Bonner Schulen zu Gast und habe Schüler im Rahmen der Climate Talks des Umweltministeriums über Klimawandel aufgeklärt. Zusammen mit der Delegation richtete ich einen offenen Brief an die Unterhändler der Sondierungsgespräche 2017, der zu einem Kohleausstieg bis 2030 aufrufe. Ich konnte einen Videoaufruf an die zukünftige Bundesregierung konzipieren und umsetzen. Ich nahm an einer Aktion zum Kohleausstieg teil und demonstrierte singend und zusammen mit hundert anderen jungen Menschen gegen eine Pro-Kohle-Veranstaltung der US-Regierung. Nie hätte ich all das erwartet.
Und das Wichtigste: Ich konnte Teil eines wundervollen Teams sein. Zahllose gleichgesinnte, schlaue und innovative Köpfe aus der ganzen Welt haben in mir die Hoffnung und Motivation gestärkt: Ja, wir stehen zusammen, wir sind stark und wir können zusammen etwas bewegen!
Hey Pia,
Super Artikel — Danke dafür 🙂